Stratmann, Wanka und Hell beim 66. MPG-Jahrestreffen
Max-Planck-Präsident Martin Stratmann nutzte seine Rede am 18.06.2015 zum Abschluss des 66. MPG-Jahrestreffens zu einer Bestandsaufnahme von Forschungspolitik und Forschungslandschaft in Deutschland. Nach einer vergleichenden Systemanalyse schlug er so genannte Max-Planck-Schools vor, dort sollten sich deutsche Spitzenforschern überregional vernetzen. Dies schaffe Mehrwert für die Spitzenforschung in ganz Deutschland. Forschungsministerin Wanka plädierte für den Abbau von Zeitverträgen zugunsten von Daueranstellungen.
Stratmann begrüßte den 18. Nobelpreisträger der Max-Planck-Gesellschaft auf der Bühne in der Großen Orangerie: Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Der skizzierte in einem Podiumsgespräch mit dem Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar wesentliche Etappen seiner wissenschaftlichen Karriere, die ihn zur Entwicklung der STED-Mikroskopie führten (STED = Stimulated Emission Depletion – Auflösung unter der Beugungsgrenze). Mit der Betrachtung aktueller Fragen der Förderung exzellenter Nachwuchswissenschaftler schlug er die Brücke zur Gegenwart und brach eine Lanze für das „ehrenhafte Scheitern“. 700 geladene Gäste aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft waren in die Große Orangerie des Berliner Schlosses Charlottenburg zum Abschluss des 66. Jahrestreffens gekommen.
Stratmann: Deutschland als „Paradies mit Baustellen“
Stratmann hatte seine Antrittsrede im vergangenen Jahr unter das Motto gestellt: „Mehr Harnack wagen“ – gemeint war ein starker Akzent aus Exzellenz und Spitzenforschung – nicht ohne Stolz zählte der Max-Planck-Präsident erste Erfolge auf: Man habe das Nachwuchsprogramm begonnen. 15 junge Wissenschaftler hätten einen Ruf der MPG nach Deutschland angenommen, keiner habe die MPG verlassen: „Deutschland ist attraktiv für ausländische Wissenschaftler, wenn auch ein ‚Paradies mit Baustellen‘, wie es Helmut Schwarz, der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung einmal ausgedrückt hat.“
Fünf Milliarden Euro seien bisher in die Exzellenzinitiative investiert worden, um die deutsche Spitzenforschung „von der nationalen Bundesliga in die internationale Champions-League“ zu bringen. Und in Zukunft stünden weitere vier Milliarden zur Verfügung. Aber – so Stratmann – „wir müssen effizienter werden, alte Denkmuster in Frage stellen, die nationalen Exzellenz-Potenziale noch besser nutzen“. Stratmanns „klares Ziel: die Verbesserung der wissenschaftlichen Exzellenz“ – das sei kein Widerspruch zu Breitenforschung und Ausbildung, denn Bildung und Forschung dürfe man nicht gedanklich trennen; die Bildung sei schließlich das Fundament, auf dem die Forschung aufbaue. Der Zugang zu den Hochschulen müsse nach wie vor für möglichst viele gewährleistet bleiben – gleichzeitig müssten die Bedingungen an der Spitze bestmöglich gestaltet werden.
[note „Von Strategien, Programmen und Strukturvorschlägen lesen und hören wir viel, klare Ziele bleiben da manchmal auf der Strecke. Ich möchte deshalb heute ausschließlich über ein klares Ziel sprechen: die Verbesserung der wissenschaftlichen Exzellenz. Spitzenforschung und gute Breitenausbildung stehen dabei für mich nicht im Widerspruch – auch wenn sie sich in Deutschland immer noch in einem Spannungsfeld befinden. Um dieses produktiv aufzulösen, müssen wir auf den vorhandenen Stärken des deutschen Systems aufbauen.“]
Stratmann verglich die Forschungslandschaften in den USA, Großbritanniens, der Niederlande und Deutschlands miteinander und entwickelte – bezogen auf den Anteil des Landes an der Weltbevölkerung je einen relativen „Leistungsindikator“, um sie aufeinander beziehen zu können: Die USA hätten den Zugang zur Hochschulbildung für viele früh durch eine vertikale Erweiterung ihres Universitätssystems verwirklicht, das umfasse heute mehr als 4.600 Einrichtungen: Vier Fünftel davon Hochschulen und Colleges nahezu ohne Promotionsrecht – ein Fünftel Universitäten mit Promotionsrecht: „Aus diesen rund 1.000 Universitäten hebt sich wiederum eine kleine Gruppe von Forschungsuniversitäten heraus, an denen die weit überwiegende Zahl der Promotionen durchgeführt wird und die eben nicht in der Breite ausbilden. Es gelingt dieser Spitzengruppe, sich neben exklusiver Lehre erfolgreich auf exzellente Forschung zu konzentrieren und Studenten und Wissenschaftler aus der ganzen Welt anzuziehen. Im Gesamtsystem der mehr als 4.600 Einrichtungen macht diese Gruppe aber gerade einmal knapp über zwei Prozent aus.“
[note „Breite und Spitze – das gilt nicht nur für Bildung und Forschung, das kennen wir alle vom Sport und haben es gesellschaftlich akzeptiert. Breitensport und Hochleistungssport sind keine Gegensätze, sondern bedingen sich gegenseitig. Den Deutschland-Achter zur Goldmedaille zu führen, gelingt eben nicht unter Bedingungen des Breitensports, das bedarf besonderer Leistungszentren! Die Leistungszentren wiederum sind auf den großen Talentpool des Breitensports angewiesen.“]