Interview mit Carsten Pfeiffer, BEE
Beim BDEW-Kongress hat Bundeswirtschaftsminister Gabriel seinen gemeinsam mit der Industriegewerkschaft BCE erarbeiteten Alternativvorschlag zur Klimaabgabe für alte Braunkohlekraftwerke vorgelegt: Dieser könnte Stromkunden oder Steuerzahler deutlich teurer zu stehen kommen. Unter Klimaschutzaspekten ist es aber immer noch besser, wenn alte Braunkohlekraftwerke aus dem Markt gekauft werden, als dass nichts geschieht, sagt Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik, beim Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) im pv magazine-Interview. Die Fragen stellte Sandra Enkhardt.
pv magazine: Gabriel hat auf dem BDEW-Kongress eine Alternative für die Klimaabgabe für alte Braunkohlekraftwerke vorgelegt. Wie schätzen Sie diese ein?
Carsten Pfeiffer: Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat jetzt zwei Modelle vorgelegt, sein eigener Vorschlag eines Klimabeitrages sowie die Alternative einer Kombination aus einer Braunkohlereserve und mehr Subventionen für die Kraft-Wärme-Kopplung. Beim ursprünglich angedachten Klimabeitrag würden einige Braunkohlekraftwerke mit marktwirtschaftlichen Mitteln aus dem Marktscheiden; beim Alternativvorschlag würden sie rausgekauft. Anders gesagt: Beim ersten Vorschlag würden die externen Kosten der Braunkohlestromerzeugung eingepreist, beim zweiten zahlt der Stromkunde oder Steuerzahler dafür, dass weniger Braunkohlekraftwerke das Klima zerstören.
Welche Regelung würde am Ende mehr CO2 einsparen?
Welche Regelung am Ende tatsächlich mehr CO2 einspart, kann man kaum einschätzen. Zu unsicher ist, was angesichts des Widerstands der Braunkohlelobby am Ende von Gabriels Klimabeitrag nach langen Verhandlungen übrig geblieben wäre. Und bei dem Jurassic Park für alte Braunkohlekraftwerke wissen wir nicht, wie viele davon in den nächsten Jahren ohnehin vom Netz genommen worden wären. Meine Einschätzung ist, dass die Politik derzeit nicht genügend Kraft hat, CO2-Preise durchzusetzen, die halbwegs die Wahrheit sprechen und man daher am Ende die Kohlekraftwerke rauskaufen wird.
Wäre es nicht viel mehr in ihrem Sinne, die schrittweise Stilllegung der Kohlekraftwerke parallel zu einer Klima-Abgabe vorzunehmen oder würde dies die deutsche Energiewirtschaft nicht verkraften?
Der BEE hatte bereits vor geraumer Zeit vorgeschlagen, eine erweiterte Reserve zu schaffen, die auch dazu dienen könnte, Braunkohlekraftwerke aus dem Markt zu ziehen. Die Überlegung war, dass am Ende eine Kompromisslösung stehen müsste und neben der „Peitsche“ auch das „Zuckerbrot“ kommen müsse. Dass am Ende nur das Zuckerbrot übrig bleiben dürfte, ist sicher keine optimale Lösung. Aber es ist unter Klimaschutzgesichtspunkten immer noch deutlich besser, dass alte Braunkohlekraftwerke aus dem Markt gekauft werden, als das nichts geschieht.
Aber warum ist die Politik nach ihrer Meinung eingeknickt?
Vermutlich hat die wirtschaftliche Lage von RWE und Vattenfall Europe mit dazu beigetragen, dass sich die Politik nicht traut, echte Marktpreise durchzusetzen. Eine Finanzspritze ist da hilfreich; ob dies RWE wirklich entscheidend helfen wird, ist keineswegs sicher. RWE erinnert mich immer mehr an Griechenland. In dem Zusammenhang wird es auch spannend sein, zu sehen, ob die Bundesregierung eine Entscheidung zu dem Atomfonds für die Rückstellungen trifft. Hier hat man berechtigterweise die Sorge, dass die teilweise strauchelnden Atomkonzerne am Ende als Zahler nicht mehr zur Verfügung stehen.
Gabriel hat sich nur sehr vage geäußert, welche anderen Maßnahmen die dann noch fehlenden zwölf Millionen Tonnen CO2 im Stromsektor eingespart werden sollen, wenn der Alternativvorschlag kommt. Worauf sollte das Hauptaugenmerk der Regierung dann liegen, also welche Maßnahmen besonders gefördert werden?
Der Schwerpunkt der zusätzlichen Maßnahmen wird offenbar auf der verstärkten Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gelegt. Hier ist aus BEE-Sicht entscheidend, dass keine Kohle-KWK mehr gefördert wird. Das wäre sonst kontraproduktiv für den Klimaschutz. Die KWK-Prämie sollte zudem flexibilisiert werden, damit sich die KWK in das künftige Versorgungssystem integrieren kann, das von Erneuerbaren Energien geprägt sein wird. Mehr noch, auch an die KWK müssen schrittweise höhere CO2-Effizienzkriterien angelegt werden, sonst geht ihre Klimaschutzlegitimation nach und nach verloren. Mit einer höheren CO2-Effizienz kämen auch die erneuerbaren Energien stärker ins Spiel, die bislang im KWKG (Kraftwärmekopplungs-Gesetz) noch keine Rolle spielen. Die Dekarbonisierung muss aber auch bei der KWK schrittweise erfolgen.