Wie soll das methodisch vor sich gehen?
Entscheidend ist es, die Größen zu identifizieren, die besonders wichtig für die Lebensfähigkeit der Menschheit auf der Erde sind. Dazu zähle ich die Anzahl der Menschen, ihre Ansprüche an und ihre Aus- bzw. Einwirkung auf das Biotop Erde, die Leistungs- und Regenerationsfähigkeit des Biotops, und die Fähigkeit, für ein Menschheitsziel zu kooperieren – statt sich überall in Wettbewerben um Ressourcen und Vormacht zu zerstreiten. Eine Sicht der Erde als Ressource für die Menschheit reicht nicht. Das Modell muss auch das Verhalten der Menschheit abbilden. Das sind sieben Dimensionen, die in dem Mustermodell so abgebildet sein müssen, dass man ihr Zusammenspiel erkennen und einen mehrdimensionalen sicheren operativen Bereich angeben kann. Das ist entscheidend für die Lebensfähigkeit.
Wird das Modell dazu umfassend genug sein?
Ich bin nicht sicher. Aber: die genannten Dimensionen erscheinen mir unverzichtbar. An einem Weltmodell mit diesen Dimensionen kann man schon viel lernen. Wenn es gute Argumente für weitere Dimensionen gibt, muss und kann man diese und entsprechende Experten einbeziehen. Und das ist übrigens mein dritter Punkt: Experten aus verschiedenen Gebieten und Weltregionen müssen beginnen, konstruktiv am Modell einer lebensfähigen Welt zu arbeiten. Das fehlt heute: eine ViableWorldConnection und die Kooperation der Nationen für die Menschheit.
Womit wird begonnen?
Das Entscheidende für den erfolgreichen Aufbau einer lebensfähigen Welt ist, diesen Prozess zu einer globalen Gemeinschaftsaufgabe zu machen, statt zu einem ökonomischen oder nationalen Wettkampf. Denn der erzeugt Gewinner und Verlierer und spaltet die Menschheit. Die ganze Menschheit muss Gewinner werden. Das wichtigste globale Naturgut der Menschheit ist das Klima der Erde. Das lässt sich nicht nationalisieren oder privatisieren, und ein unbewohnbarer Planet nutzt keinem. Das Zusammenspiel der Völker muss wichtiger werden als ökonomische Wettbewerbsfähigkeit. No.1 muss die Menschheit werden, nicht eine der Großmächte. Die Fähigkeit Störungen und Gefahren frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden, muss die höchste Wichtigkeit erhalten.
Als die Menschheit vor ca. 40 Jahren begann, die Erde zu überstrapazieren wurde ihr Expansionskurs selbstmörderisch. Jedes Land kann heute allen anderen das Klima versauen. Keines ist mehr unabhängig. Jetzt braucht sie ein Frühwarn- und ein Immunsystem zur gesamtsystemischen Abwehr von Risiken und Nebenwirkungen. Hier ein Beispiel: die Gefährdung der Menschheit durch den Treibhauseffekt ist seit 20 Jahren als Risiko hinreichend sicher erkannt. Aber eine entschlossene und wirksame Vorsorge der „Staatengemeinschaft“ und ihrer nationalen Anführer ist bis heute nicht erfolgt. Sie überlassen die Lösung existenzwichtiger ökologischer Probleme ausgerechnet den Märkten, die keine Gelegenheit auslassen, unser gefährdetes Naturkapital, von dem wir langfristig leben wollen, für kurzfristige Gewinne zu verscherbeln. Über freiwillige und isolierte Maßnahmen der einzelnen Nationalstaaten und eine Buchhaltung über den fortschreitenden ökologischen Niedergang sind die Klimakonferenzen noch nicht weit hinaus gekommen. Die Menschheit hat noch keine handlungsfähige Agentur zur Bewahrung ihrer Lebensgrundlagen.
Was braucht die Menschheit jetzt?
Eben diese supranationale Agentur zur Sicherung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen, ein globales Governance-Format zur Prävention und Lösung globaler Probleme mit Vorrang vor nationalen Strukturen. Die Kräfte und Mittel, die jetzt für militärische Verfolgung nationaler Interessen in möglichen internationalen Krisen vorgehalten werden, könnten für präventive Vermeidung globaler Probleme eingesetzt werden. Die Erde als Lebensraum erhält Vorfahrt: das ist doch eine völkerverbindende und belohnende Vision, für welche die Nationen und die Zivilgesellschaften zusammenspielen können, z. B. um das Überschreiten der 2°C-Grenze noch zu vermeiden. Die gegenwärtige Vision einer Welt mit 200 souveränen Nationalstaaten ist jedenfalls Gift für die Menschheit. Weg damit!
Wenn wir dieses globale Zusammenspiel der Menschheit hätten, was sollte sie dann tun?
Ihren zu groß gewordenen ökologischen Fußabdruck, also die Übernutzung der Biosphäre für Siedlung, Zivilisation, Nahrung und Trinkwasser reduzieren, und deren Vergiftung durch fossile und nukleare Energieerzeugung, die Zerstörung zivilisatorischer und sozialer Infrastrukturen durch militärische Gewalt, und weiteres Wachstum der globalen Bevölkerung beenden. Durch Umbau der Erde vom Kampflatz zum Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen, und durch Schaffung von Wohlstand für alle. Damit dabei der ökologische Fußabdruck nicht zu groß wird, muss das globale Energiesystem von schädlichen Emissionen wie Treibhausgasen und radioaktiven Substanzen frei sein und saubere Energie als Basis für sauberen Wohlstand überall verfügbar sein. Beendigung von Armut, Vertreibung und Bevölkerungswachstum durch Wohlstand für alle ist eine alle Völker lohnende Aktion. Die technischen, natürlichen und finanziellen Ressourcen dafür sind dank der erneuerbaren Energien im Überfluss vorhanden. Für die vielen abzustimmenden Einzelprozesse brauchen wir ein Drehbuch, einen Bauplan und eine Architektur, wie für den Bau eines Hauses, das auch einen Regenschauer oder Windstoß aushalten soll.