Regierungsantwort auf Grünen-Anfrage: 100 GW Überschuss in Europa
In Europa betragen die Überkapazitäten auf dem Strommarkt mindestens 100 Gigawatt. Dies antwortet die Bundesregierung (18/5323) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5060). Davon lägen rund 60 GW in dem für Deutschland relevanten Stromgebiet (Nachbarländer plus Italien). Unter Berufung auf Ermittlungen der Übertragungsnetzbetreiber erwartet die Regierung eine „verbleibenden Leistung“ in Deutschland von zehn Gigawatt bis 2017. Aussagen betreffend weiter in der Zukunft liegende Überkapazitäten könnten nicht getroffen werden. (hib/HLE)
Solarify dokumentiert die Antwort der Bundesregierung (Deutscher Bundestag Drucksache 18/5323) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausschnittweise.
Beitrag der Energiewirtschaft zur Schließung der Klimalücke bis zum Jahr 2020
[note Vorbemerkung der Fragesteller
Im Dezember 2014 verabschiedete die Bundesregierung das „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ mit einer Reihe von Maßnahmen, welche in der Summe zur Schließung der Klimalücke beitragen sollen. Damit will sie die mehrfach beschlossene Reduktion von 40 Prozent der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 absichern. Hierzu wurde festgehalten, dass die Energiewirtschaft durch Maßnahmen insbesondere im Stromsektor zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 erbringen muss. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat im März 2015 im Rahmen seines Eckpunktepapiers Strommarkt die Funktion eines „Klimaschutzbeitrags“ skizziert. Seit dem ist dieses Instrument Gegenstand intensiver politischer und gesellschaftlicher Diskussionen. Im Mai 2015 folgte nun die IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, nach intensiver Kritik am Vorschlag der Bundesregierung, mit einem eigenen Konzept. Eine endgültige Entscheidung über den genauen Beitrag der Energiewirtschaft und insbesondere der CO2-intensiven Kohlenbranche zum Schließen der Klimalücke steht somit noch aus.]
Vorbemerkung der Bundesregierung
Das Eckpunkte-Papier vom 19. März 2015 enthält einen Vorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für die Einführung eines „Klimabeitrags“. Anpassungen dieses Vorschlags, konkrete Auswirkungen für den Klimaschutz und für die betroffenen Unternehmen sowie Alternativen werden seither innerhalb der Bundesregierung sowie mit den betroffenen Ländern und den Marktakteuren diskutiert. Dies ist Teil der Willensbildung der Regierung. Aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt, dass dieser Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung parlamentarisch grundsätzlich nicht ausforschbar ist. Daher kann auf einen Teil der Fragen erst dann eingegangen werden, wenn die Willensbildung innerhalb der Bundesregierung abgeschlossen ist.]
1.Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Überkapazitäten aktuell sowie in den Jahren 2018 und 2022 im deutschen Kraftwerkspark ein?
Nach Angaben des aktuellen „Scenario Outlook and Adequacy Forecast“ (SOAF-Bericht) von ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) betragen die Überkapazitäten an gesicherter Leistung in Europa derzeit mindestens 100 Gigawatt (ENTSO-E 2014). Davon liegen rund 60 Gigawatt (sog. RC-ARM und spare capacity) in dem für Deutschland relevanten Strommarktgebiet, das näherungsweise als die Region bestehend aus Deutschland, seinen Nachbarn und Italien definiert werden kann. Ebenso steht in einer (rein rechnerisch) nationalen Betrachtung in Deutschland mittelfristig mehr als ausreichend Kraftwerksleistung zur Verfügung: Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) weisen in ihrem aktuellen Bericht zur Leistungsbilanz für Deutschland für den Zeitraum der Jahre 2014 bis 2017 eine „verbleibende Leistung“ von ca. 10 Gigawatt aus (ÜNB 2014).
Aussagen zu konkreten Überkapazitäten für weiter in der Zukunft liegende Zeiträume kann die Bundesregierung nicht treffen, da sie von aus heutiger Sicht noch unbekannten Entwicklungen am Strommarkt, insbesondere Zu- und Rückbauten von Erzeugungsanlagen oder der Hebung von Lastmanagementpotenzialen, abhängen.
Zwei aktuelle Studien aus dem Jahr 2015 („Generation Adequacy Assessment“ des Pentalateralen Energieforums und „Versorgungssicherheit in Deutschland und seinen Nachbarländern: länderübergreifendes Monitoring und Bewertung“ der Beratungsunternehmen Consentec und R2B Energy Consulting) lassen für die nächsten Jahre jedoch ausreichende Kapazitäten zur Deckung der Nachfrage in Deutschland erwarten.