„Tundra-Studie“ zeigt stärkere Auswirkungen des Klimawandels
Wesentliche Veränderungen in der Vegetation der Arktis sind nicht nur ein Symptom des Klimawandels, sie beschleunigen sogar die Erderwärmung. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie in einem der wichtigsten Ökosysteme der Erde. Die sogenannte „Tundra-Studie“ wurde jetzt in Nature Climate Change veröffentlicht.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes werden helfen, Prognosemodelle zu verbessern, mit denen Veränderungen der Ökosysteme in der Tundra und deren Auswirkungen auf die weltweite Klimaerwärmung vorhergesagt werden können. Die Untersuchungen wurden von einem internationalen Wissenschaftlerteam, darunter auch Wissenschaftler der Universität Greifswald, an 37 Standorten in neun Ländern durchgeführt und von der University of Edinburgh koordiniert.
Die Tundra-Studie gilt als eine der umfassendsten Studien zu vegetativen Veränderungen in der arktischen Tundra. Dazu wurden besonders die Jahresringe in den Buschstämmchen analysiert, die überall in der Arktis von Sibirien, über Skandinavien bis nach Alaska gesammelt wurden. Von den Stämmchen wurden im Labor hauchdünne Schnitte angefertigt und angefärbt, und dann unter dem Mikroskop bis auf 1/1000 mm genau vermessen. Hierbei sind die Greifswalder Wissenschaftler weltweit gefragte Experten. Die Messungen werden dann mit Klimadaten und anderen Umwelteinflüssen statistisch verrechnet. Damit dienten diese Sträucher quasi als eine Art Thermometer für das arktische Klima.
Es konnte nachgewiesen werden, dass die Sträucher in der Tundra stärker und schneller wachsen, je höher die Temperaturen sind. Die Untersuchungsergebnisse legen den Schluss nahe, dass das verstärkte Strauchwachstum und die Veränderungen des gesamten Ökosystems – verursacht durch die Klimaveränderungen – die Erwärmung in der Tundra vorantreiben und zugleich die Erderwärmung beschleunigen könnte.
Der Grund dafür: Die Ausbreitung von höheren Sträuchern verringert die Zahl geschlossener Schneedecken. Schnee reflektiert jedoch die Sonnenwärme zurück in den Weltraum und eine Reduktion der Schneebedeckung fördert so die Erwärmung der Erdoberfläche. Zusätzlich beeinflussen die Sträucher auch die Bodentemperaturen und fördern das Auftauen des Permafrostbodens. Deshalb konnte mit der Studie auch gezeigt werden, dass die Ausbreitung der Sträucher den Nährstoffkreislauf und den Kohlenstoffgehalt im Boden beeinflusst. Konkret heißt das: Durch die Erwärmung werden Zersetzungsprozesse im Boden verstärkt, was wiederum zur ver-stärkten Freisetzung von Kohlendioxid in die Atmosphäre führt – und damit zu weitere Erwärmung.
Die entscheidende Erkenntnis der neuen Studie ist aber, dass genau die Sträucher in den Regionen der Arktis am empfindlichsten auf die Klimaerwärmung reagieren, in denen besonders große Mengen Kohlenstoff im Permafrost gebunden sind, die dann bei einem Auftauen freigesetzt werden könnten. Damit ist der Rückkopplungseffekt deutlich stärker als bisher angenommen.
Dr. Isla Myers-Smith, von der University of Edinburgh, School of Geosciences, die die Studie koordiniert hat, sagte: „Das Wachstum der arktischen Sträucher in der Tundra ist eines der anschaulichsten Beispiele auf der Erde, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Ökosysteme der Erde hat. Unsere Ergebnisse zeigen, dass zwar das Klima einer der Haupteinflussgrößen auf das Wachstum der Büsche ist, es aber durchaus große regionale Unterschiede gibt. Das Wissen über diese Variabilität wird dazu beitragen, bessere Vorhersagen über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Tundrengebiete der Erde zu treffen.“
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