2002 – EU-„Beschleunigungsrichtlinie“ zwingt Deutschland zur Netzentgelt-Regelung
„Die ‚Beschleunigungsrichtlinie‘ der EU aus dem Jahr 2002 schaffte das Schlupfloch für Deutschland ab. Deutschland wurde zur staatlichen Regulierung der Netzentgelte gezwungen, das Schlaraffenland war zu Ende. Die Richtlinie enthielt auch einen Anhang mit Rechten der Energieverbraucher. In Deutschland wurde die Richtlinie mit einem Jahr Verspätung durch das Energiewirtschaftsgesetz 2005 umgesetzt, durch das auch die Bundesnetzagentur entstand. In der Folge sanken die Netzentgelte erst einmal deutlich. Und der Wettbewerb auf dem Gasmarkt wurde durch die Bundesnetzagentur schrittweise erzwungen, wenngleich deutlich langsamer als von Brüssel vorgeschrieben.“
2009 – „drittes Richtlinienpaket“
„Den EU-Wettbewerbshütern ging die Entflechtung von Netz und Vertrieb nicht schnell und nicht weit genug. Deshalb wurde am 13.07.2009 in Brüssel ein sogenanntes ‚drittes Richtlinienpaket‘ beschlossen – von den Mitgliedsstaaten bis 03.03.2011 umzusetzen. Wieder hatte Deutschland die vollständige Entflechtung von Netzen und Vertrieb verhindert, die alle anderen EU-Staaten für notwendig hielten: für Netze mit weniger als 100.000 Kunden genügt eine getrennte Rechnungslegung – die allerdings in Deutschland nie entsprechend den Regeln ordnungsgemäßer Buchführung umgesetzt wurde. ‚Die zwangsweise Eigentumsentflechtung wurde abgewendet‘, jubelte die Bundesregierung. Die Richtlinie stärkte die Verbraucherrechte (Anbieterwechsel innerhalb von drei Wochen zwingend, unabhängige Schlichtungsstelle, Definition und besondere Rechte für schutzbedürftige Verbraucher, Transparenz von Energierechnungen, smart Metering). Zum Zeitpunkt des Richtlinienerlasses lief noch ein Verfahren der Kommission gegen die Bundesrepublik, weil noch nicht einmal die Kundenschutzregeln des zweiten Richtlinienpakets umgesetzt waren. 2011 beschwerte sich der Verein in Brüssel über die ausbleibende Umsetzung des Dritten Richtlinienpakets in Deutschland.“
Energiepreise durch Liberalisierung für Haushaltskunden und Mittelstand weder niedriger noch gerechter
Durch die Liberalisierung seien die Energiepreise für Haushaltskunden und Mittelstand weder niedriger noch gerechter geworden. Im Gegenteil. In den Genuss der Vorteile der Energiemärkte seien einseitig die Großfirmen und für etliche Jahre auch die Energiekonzerne geraten. Das stehe ganz im Gegensatz zur politischen Programmatik der EU-Kommission: Noch im Juni 2015 bekamen es die Energieverbraucher schriftlich von Energiekommissar Dominique Ristori: „Verbraucher stehen im Zentrum der EU-Energiepolitik. Das haben die Energieminister aller 28 Mitgliedsstaaten unterstrichen“.
Deutschland durch dritte Richtlinie spürbar unter Druck
Für schutzbedürftige Verbraucher bringet die dritte Richtlinie viel: Obwohl Deutschland keine schutzbedürftigen Verbraucher definiert habe, gerate Deutschland hier spürbar unter Druck. Ein gerade erschienener Report der Kommission über Energiearmut und schutzbedürftige Verbraucher zeige im EU-Vergleich kein gutes Bild von Deutschland. Die 2011 entstandene Schlichtungsstelle Energie sei ein Ergebnis des dritten Richtlinienpakets, sie wäre ohne diese Vorgaben nie entstanden, auch wenn die Verbraucherseite hier nur zu 25 % beteiligt sei.
Energieverbraucherrechte zwar gestärkt – Haushaltskunden bei Liberalisierung aber leer ausgegangen
Der Bund der Energieverbraucher sieht die Rechte seiner Klientel durch die EU-Aktivitäten wesentlich gestärkt. Bereits in der Richtlinie von 2003 seien Verbraucherrechte fixiert gewesen, die 2009 noch deutlich verstärkt worden seien. 2007 dann habe die Kommission eine Diskussion über eine „Charta der Rechte der Energieverbraucher“ begonnen. Doch diese Charta wurde zwar nie erlassen, die Forderungen aber fanden teilweise Eingang in die Richtlinie von 2009. Dennoch war in ganz Europa und nicht nur in Deutschland zu beobachten, dass die Haushaltskunden bei der Liberalisierung leer ausgegangen waren. Das sei auch thematisiert worden: „In Berichten der Kommission seit dem Jahr 2004, auf dem jährlichen London Bürgerforum Energie, bei den Verbraucherorganisationen und Regulierungsbehörden“.