Autobahn-Viadukte als Kraftwerke
Der Vorschlag britischer und spanischer Ingenieure ist zwar nicht mehr ganz taufrisch – aber nachdem ihn Green Wiwo aufgegriffen hat, erfreut er sich gegenwärtig lebhafter Internet-Präsenz (s.u.): Der freie Raum unter hohen Straßenbrücken (und auch die Fahrbahnen selbst) können zur Energiegewinnung genutzt werden. Ein Rahmen, der die Rotoren inklusive Generatoren hält, wird einfach zwischen die Pfeiler montiert, eine Fahrbahn mit Solarpaneelen belegt.
2011 gewannen die italienischen Designer Francesco Colarossi, Giovanna Saracino und Luisa Saracino mit der Idee einen zweiten Preis bei einem Wettbewerb. Forscher der Londoner Kingston University und der Universidad Las Palmas de Gran Canaria haben sie jetzt aufgegriffen, per Computer simuliert und verschiedene Möglichkeiten speziell für die Windverhältnisse unter dem Juncal-Viadukt auf Gran Canaria durchgerechnet.
Dabei kamen sie zu unerwarteten Ergebnissen: Ein einziger großer Rotor erwies sich als wenig effektiv, ebenso zwei verschieden große, die den freien Platz unter der Brücke optimal nutzen. Die nächstliegende Lösung: Zwei nebeneinander angebrachte Windturbinen mit einer Leistung von jeweils 250 kW und einem Durchmesser von rund 30 m. Mit 24 kleinen Windgeneratoren, in drei Reihen übereinander angeordnet, wäre die Stromausbeute zwar am besten, aber die Kosten für die Investition am höchsten.
Das italienische Konzept: Das vorgeschlagene Hybrid-System (Kombination von Solar- und Windenergie) ermöglicht eine kontinuierliche Energieproduktion. Das Projekt basiert auf der Idee, den Raum zwischen den Trägern bestehender Viadukte zu nutzen, um ein System von Windkraftturbinen in die Struktur zu integrieren. Dies verringert die Landnutzung und reduziert damit Auswirkungen sowohl auf Landschaft und Umwelt zusätzlich zur Neugestaltung des visuellen Profil des Viadukts. Der im Wettbewerb vorgeschlagene Solarpark soll sich über die gesamte Länge der Innenfahrbahn erstrecken, während die äußere Fahrbahn dem Fahrzeugverkehr vorbehalten bleibt. (Nach newitalianblood.com)
Der Solarpark wird als grüne „Promenade“ konzipiert, an dem entlang alternative Aussichtspunkte und völlig autarke Solar-Gewächshäuser stehen. Wie bei Stadtparks, können Besucher anhalten und die lokalen Produkte kaufen, die in diesen Gewächshäusern wachsen. Der Asphalt wird durch eine technologische Fahrbahn von bereits in den USA im Einsatz befindlichen Solarpaneelen („Solar-Roadway“) ersetzt. Die Straßenoberfläche selbst – ein dichtes Raster von Solarzellen, transparent mit formbeständigen Kunststoff beschichtet, wird als Teil des Energieerzeugungssystems Energie sammeln. Das gesamte System ist in der Lage, rund 40 Millionen kWh pro Jahr zu produzieren – genug für rund 15.000 Familien. (Nach newitalianblood.com)
„Ob nun besser zwei größere Blätter installiert werden oder viele kleinere, kann von Brücke zu Brücke unterschiedlich sein“, erklärt Oscar Soto Hernandez, Leitautor der Studie an der Londoner Kingston University. An der Juncal-Brücke hätten 24 kleine Anlagen zu einer ähnlichen Leistung geführt. Die Faustregel „je größer der Rotor, desto höher die Stromausbeute“ trifft also nicht unbedingt zu. José Fernando Medina Padrón, Elektrotechnik-Professor an der Universität in Las Palmas, glaubt, dass die jährlich erzeugte Energie ausreichen würde, 450 bis 500 Haushalte mit Strom zu versorgen. Die Emissionen an Kohlendioxid könnten so um 140 t pro Jahr sinken. Anders ausgedrückt: Die beiden Mühlen unter dem Viadukt sind genauso klimawirksam wie 7200 ausgewachsene Bäume.
Medina und seine Kollegen betonen, dass es kein Patentrezept für die Gewinnung von Windenergie unter Brücken gibt. „Jede ist anders“, sagt er. Vor allem müssen, ehe ein Konzept erarbeitet wird, Windstärke und -richtung über einen langen Zeitraum, am besten ein Jahr lang, ermittelt werden. Per Computersimulation lässt sich dann die beste Lösung finden. Das kanarische Ingenieursunternehmen Zona Eólica Canaria, spezialisiert auf erneuerbare Energien, hat das Forschungsprojekt finanziell unterstützt.
Geeignet für dicht besiedelte Regionen?
Die Forscher glauben, dass Windgeneratoren unter Brücken vor allem für dicht besiedelte Regionen geeignet sind, weil sich dort kein Platz für mächtige Masten findet. Außerdem meinen sie, dass sie die Landschaft weniger verschandeln. Es dürfte aber dennoch Menschen geben, die beispielsweise Pläne, die Autobahnbrücke über die Mosel bei Koblenz zu einem Kraftwerk zu machen, bekämpfen würden.
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