3. Krisen und Konflikte
Obwohl Wirtschaftswachstum weithin den guten Ruf hat, für Wohlstand und sozialen Frieden zu sorgen, funktioniert es keineswegs harmonisch. Im Gegenteil: Konflikte sind strukturell in der Wachstumsgesellschaft angelegt. Staaten konkurrieren untereinander um ihre Wettbewerbsfähigkeit, und viele Produkte sind nur deshalb so billig, weil Arbeiterinnen in China oder Bangladesch sie für Hungerlöhne herstellen; während sich Kunden langlebige Produkte wünschen, lohnt es sich für Unternehmen oftmals, den baldigen Verschleiß gleich mit einzubauen. Und sobald Arbeitskräfte, Rohstoffe, Technologien oder zahlungskräftige Nachfrage fehlen, kommt es zu Arbeitslosigkeit, sozialen Verwerfungen und Armut. Doch auch wenn der Wirtschaftsmotor auf Hochtouren läuft, untergräbt er seine eigenen Existenzbedingungen und erzeugt immer wieder Krisen: angefangen bei den ökologischen Schäden durch den immer riskanter werdenden Abbaufossiler Rohstoffe bis zu den globalen Ungerechtigkeiten, die beispielsweise durch zunehmendes Landgrabhing entstehen. Krisen und Konflikte sind im Wachstumskapitalismus eben nicht die Ausnahmen, sondern der „ganz normale Lauf der Dinge“.
62 „Peak Everything“, das gefährliche Maximum
Birgit Mahnkopf • Knappe Ressourcen, überlastete Ökosysteme und kein Ende in Sicht
64 Textilien für die Welt
Annette Jensen • Der industrielle Anbau von Genbaumwolle verbraucht enorme Mengen Wasser, vergiftet die Böden und ist für die Feldarbeiter lebensgefährlich
68 Das Proletariat der Globalisierung
Florian Butollo • In China verbessern sich die Arbeits- und Lebensbedingungen trotz technologischer Fortschritte nur sehr langsam
70 Die neuen Akteure im Kampf um Land
Beatriz Rodríguez-Labajos, Leah Temper, Lucía Argüelles • Warum globale Umweltkonflikte zunehmen und wie die traditionelle Subsistenzwirtschaft zerstört wird
72 Sand, ein knappes Gut
Kiran Pereira • Die Nachfrage aus der Bau-, Mineral- und Frackingindustrie erschöpft die globalen Vorkommen und führt zu irreparablen Umweltschäden
76 Erdgasboom mit Nebenwirkungen
Henning Mümmler-Grunow • Fracking ist extrem teuer und umweltschädlich – und womöglich kaum profitabel
78 Garantiert nicht lang haltbar
Jürgen Reuß • Die Hersteller konstruieren Mixer, Fernseher, Handys und andere Massengüter gezielt so, dass sie schnell kaputtgehen
84 Lebensmittel für die Tonne
Valentin Thurn • In den reichen Industrieländern beginnt die Verschwendung bereits auf dem Acker. Ändern lässt sich das nur, wenn Erzeuger, Händler und Verbraucher zusammenarbeiten
86 Giftige Geschäfte mit alten Geräten
Cosima Dannoritzer • In Afrika und Asien werden kaputte Computer, Handys und Haushaltsgeräte aus den Industrieländern auf lebensgefährliche Weise entsorgt
90 Den Klimawandel stoppen
Ottmar Edenhofer, Christian Flachsland, Jérôme Hilaire, Michael Jakob • Es gibt nicht zu wenig, sondern zu viel fossile Ressourcen – sie müssen in der Erde bleiben
94 Landgrabbing in Europa
Roman Herre • Ackerland wird zunehmend zum Investitionsobjekt für Energie-, Rohstoff- und Finanzkonzerne – auch in Deutschland
96 Die neue soziale Frage
Steffen Liebig, Stefan Schmalz • In Europa gehen die Menschen aus Wut und Verzweiflung auf die Straße, sie fordern Teilhabe und besetzen öffentliche Plätze
98 Der Fall Griechenland
Maria Markantonatou • Wenn Wachstumsgesellschaften nicht mehr wachsen und die Sparpolitik die Probleme nur verschlimmert
102 Deutschland – der eingebildete Gesunde
Steffen Lehndorff • Der Exportweltmeister profitiert nur scheinbar vom Sozialdumping
4. Postwachstum
Dem Wortsinne nach bedeutet Postwachstum schlicht „nach dem Wachstum“ Angesichts des Klimawandel, sozialer Konflikte und knapper Ressourcen droht der Kapitalismus in eine unfreiwillige, krisenhafte und spannungsreiche Schrumpfung abzugleiten. Doch mit Postwachstum ist etwas anderes gemeint als die Dauerkrise unserer Wachstumsgesellschaft: Eine zukunftsfähige Postwachstumsgesellschaft müsste nicht mehr um jeden Preis wachsen, um sich zu stabilisieren. Unternehmen und Volkswirtschaften wären nicht zu Expansion, Akkumulation und Produktionssteigerung verdammt; besonders ressourcenintensive Branchen müssten zurückgebaut werden, um die ökologischen Grenzen nicht vollends zu überlasten, während Bereiche wie Gesundheitsversorgung und Altenpflege weiter ausgebaut werden sollten. Bei der Nahrungsmittelversorgung oder der Definition dessen, was Wohlstand und Gerechtigkeit bedeuten, stünden die konkreten Bedürfnisse im Vordergrund – und nicht Profit, Kaufkraft oder abstrakte Kennziffern wie das BlF. Noch ist der Weg in diese ganz andere Gesellschaft nur in Ansätzen erkennbar. Es überwiegen die großen Fragen und die kleinen Antworten, aber diese sind ebenso vielversprechend wie ernst zu nehmen.
104 Der schwierige Übergang
Ulrike Herrmann • Der Kapitalismus ist zerstörerisch, und für den Ausstieg gibt es keinerlei Plan
108 Wie alles anfing
Barbara Muraca • Die ersten radikalen Wachstumskritiker gab es in Frankreich, von dort sprang der Funke auf südeuropäische Länder über
112 Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt
Hans Diefenbacher, Dorothee Rodenhäuser • Das Bruttoinlandsprodukt bildet vieles nicht ab, deshalb brauchen wir alternative Indikatoren und Maßstäbe
116 Spielarten der Wachstumskritik
Matthias Schmelzer • Degrowth, Klimagerechtigkeit, Subsistenz – eine Einführung in die Begriffe und Ansätze der Postwachstumsbewegung
122 Im Schatten des Geldwerts
Adelheid Biesecker, Uta von Winterfeld • Reproduktion, Geschlechtergerechtigkeit und andere blinde Flecken in der Postwachstumsdebatte
124 Das falsche Konzept
Alberto Acosta • Auch der globale Süden benötigt angesichts der sozialen und ökologischen Probleme Alternativen zum Wachstum
126 Ein ganz anderes Wirtschaftsmodell für Asien
Chandran Nair • Für China und Indien sind Bildung und sauberes Wasser viel wichtiger als freie Märkte
130 Säen für die Zukunft
Christiane Grefe • Noch dominiert die industrielle Agrarproduktion, doch viele Städter und Bauern proben schon das Bündnis für eine nachhaltige, solidarische Landwirtschaft
134 Pionier der Bodengewinnung
Elisabeth von Thadden • Ein Wasserwirtschaftler aus Hamburg arbeitet unermüdlich daran, menschliche Exkremente in fruchtbaren Boden zu verwandeln – das klappt tatsächlich
138 Eine andere Stadtpolitik ist möglich
Thomas Köhler, Jonas Abraham • In Transition Towns sorgen Nachbarschaftshilfe, alternative Versorgungskonzepte und Stadtgärten für Nachhaltigkeit und Zusammenhalt
140 Von schrumpfenden Städten lernen
Annegret Haase, Dieter Rink • In Leipzig haben sich alternative Nutzungen von Häusern und Flächen etabliert
142 Die bessere Technik für morgen
Andrea Vetter • Mit Wiederverwertung, Open Design und gemeinschaftlichem Eigenbau lassen sich zukunftsfähige Produkte entwickeln
144 Gutes Leben in Bolivien
Johanna Sittel • Die indigene Lebensweise des „vivir bien“ hat in mehreren Andenländern Verfassungsrang
146 Teilen, die andere Ökonomie
Reiner Metzger • Sharing könnte eine Alternative zum Eigentum sein – tatsächlich verschafft es dem Kapitalismus neue Märkte
150 Commons und die Kliniken der Solidarität
Judith Dellheim • Nachdem in Griechenland das Gesundheitssystem zusammengebrochen ist, leisten Freiwillige, Gewerkschaften und Genossen medizinische Hilfe
152 In Zeiten des Ernstfalls
Rebecca Solnit • Warum wir Ölkonzernen und anderen Klimakillern den Geldhahn zudrehen müssen
156 Ökonomie ohne Abfall
Annette Jensen • Wiederverwenden und weiternutzen sind die Grundprinzipien der Kreislaufwirtschaft – nach dem Vorbild der Natur
160 Lob der Gleichheit
Klaus Dörre, Stephan Lessenich, Hartmut Rosa • Warum die Postwachstumsgesellschaft umverteilen muss
162 Subsistenz ist die Lösung
Veronika Bennholdt-Thomsen • Plädoyer für eine Ökonomie, in der für alle genug da ist