Wie hätte man es denn besser machen sollen?
Jedes Projekt auf neuem Terrain beginnt sinnvollerweise mit einer unvoreingenommenen Bestandsaufnahme. Die gab es nicht. Der zweite Schritt wäre gewesen, dort, wo schon oder noch solche selbstorganisierten Ansätze da sind, zu helfen, bürgerschaftliches Engagement mitten in der Zivilgesellschaft zu ermutigen. Erst dann wäre ein dritter Schritt sinnvoll gewesen, nämlich die etablierte akademische Wissenschaft an dieses von ihr bislang weitgehend vernachlässigte Aktivitätsfeld heranzuführen – aber eben nicht als alleinige Entwickler und Wissenschaftslehrer, letztlich als Nutznießer, sondern als professionelle Flankierer, Helfer, Partner – vielleicht sogar bisweilen in der Rolle der Lernenden.
Kann man nicht noch jetzt die Kurve dahin bekommen?
Natürlich, es ist immer möglich, einen Fehler einzugestehen und neu anzufangen. Es fällt nur dann schwerer, wenn bereits Vorurteile gestärkt, Rollen verteilt und finanzielle Wünsche geweckt worden sind. Schlimm finde ich, dass ich vorher vielfach vor all diesen Fehlentwicklungen gewarnt habe. Übrigens weise ich gern bei dieser Gelegenheit auf ein Projekt der Polytechnischen Gesellschaft in Frankfurt am Main hin, das sehr umsichtig und langfristig angelegte Projekt „Stadtteilhistoriker“, das noch vor dem Citizen Science-Hype begonnen wurde und geradezu wie ein positives Gegenmodell jener ziemlich verunglückten BMBF-Initiative erscheint. Es macht nahezu alles, was beim BMBF falsch läuft, richtig: Jeder kann dort ein regional bezogenes Forschungsvorhaben welcher Fragestellung auch immer einbringen, die Profis wirken nur vorsichtig steuernd und beratend im Hintergrund, sie bekommen kein Geld, wohl aber die Laienforscher zu Beginn ihrer Arbeit eine Aufwandsentschädigung von 1.500 Euro; alle fertigen Arbeiten werden publiziert; auch eine Frankfurter Zeitung begleitet das Unternehmen. Die ehrende Aufmerksamkeit ist wirklich denen sicher, die sich alles selbst ausgedacht haben und welche die Arbeit machen; zwei eindrucksvolle Sammelbände sind schon publiziert worden.
Beziehen sich denn nicht alle Formen von Wissenschaft auf ein einziges, gemeinsames Wissenschaftsverständnis?
Ja natürlich. In Bezug auf die ideale Norm, der man nachstrebt, gibt es meines Erachtens keine Unterschiede. Aber auch hier muss man sich die Realität ansehen: Dort zerfällt das, was man macht, eben doch entlang der Frage, ob man Berufswissenschaftler ist oder nicht. Es spielt schon eine wesentliche Rolle, ob man unter den gegebenen Strukturbedingungen einer Universität bzw. eines privatwirtschaftlichen Labors forscht, oder unbezahlt „nebenbei“, nicht durch Broterwerbs- oder Karrierezwänge belastet. Es gibt nicht wenige Bürgerwissenschaftler, die stecken ihre gesamte Freizeit und viel privates Geld in das Ziel, auf einem sie interessierenden Feld wirklich gut zu werden. Uneingeschränkte wissenschaftliche Freiheit findet man heute nur noch hier. Hinzu kommt, dass dort auch die Allgemeininteressen – etwa an der Aufklärung über komplexe Zusammenhänge – eine selbstverständliche Leitorientierung darstellen, während in der Berufswissenschaft häufig personen- und disziplinabhängige hochgradige Spezialisierungen so sehr ausschlaggebend sind, dasseingeschränkte Perspektiven vorherrschen und es oft schwer fällt, deren Notwendigkeit oder Vordringlichkeit plausibel zu begründen. Man denke nur daran, dass derjenige, der nicht Mitglied einer Fakultät ist oder sich in einem bestimmten Fach ausweisen muss, viel freier ist, allen wichtigen Zusammenhängen nachzugehen, in welche Richtung sie auch immer führen.