Lage des Nahfeldes hängt von Kugelgröße ab
Sobald die Wellen des elektromagnetischen Lichtfeldes die Nanokugeln erfassen, bilden sich an deren Oberfläche die Nahfelder aus, beginnen zu pulsieren – und schleudern durch Photoemission innerhalb von Attosekunden aus ihrer Mitte Elektronen heraus. So werden die Nanokugeln im Zusammenspiel mit den Laserpulsen (mit 720 Nanometern Wellenlänge) zu Katapulten, die Elektronen gezielt in eine Richtung schießen. Denn wo auf der Kugeloberfläche das Nahfeld entsteht, hängt von der Größe der Nanokugeln ab: Je größer die Kügelchen sind, desto weiter wandern die Nahfelder von der Polgegend auf die Rückseite der Teilchen und wirken dabei als Elektronenkatapult. Da die Elektronen aber immer aus der Mitte des Nahfeldes herausfliegen, können die Forscher die Flugrichtung der Elektronen über die Größe der Nanokügelchen einstellen.
Den Zusammenhang zwischen der Kugelgröße und der Richtung der Elektronenschüsse beobachteten die Forscher, indem sie mit Teilchendetektoren die Flugbahnen der Elektronen aufzeichneten, die genau inmitten der Nahfelder von den Nanokügelchen ausgesandt wurden, während der Laserpuls die Kugeloberfläche erfasste. „Die Energie und Richtung der emittierten Elektronen ist in diesem Fall eng verknüpft mit der räumlichen und zeitlichen Struktur der Nahfelder“, erläutert Thomas Fennel, Professor an der Universität Rostock. „Die Emission von Elektronen selbst ist eine Art Ping-Pong-Spiel an der Oberfläche der Nanokügelchen, das sich mit einer Genauigkeit im Attosekundenbereich steuern lässt.“ Fennels Team führte Simulationsrechnungen durch, welche die mikroskopischen Vorgänge und deren Ablauf aufdeckten. „Die Elektronen verlassen zunächst die Kugeln, werden dann aber wieder in Richtung der Oberfläche zurückgezogen. Dort prallen sie ab und erhalten aus dem Nahfeld einen finalen, starken Impuls, der sie dann endgültig aus dem Nanoteilchen herauslöst“, ergänzt Matthias Kling.
Mögliche Anwendungen in Röntgen- und Ionenquellen für die Medizin
Da man mit dieser Technik kontrollieren kann, in welche Richtung Teilchen durch Laserlicht ausgesendet werden, können sich die Wissenschaftler als Langzeitperspektive eine medizinische Anwendung für die Technik vorstellen. „Mit der gerichteten Elektronenbewegung könnte man stark gerichtete Röntgenstrahlung für die Bildgebung produzieren.“, erklärt Eckart Rühl vom Institut für Chemie und Biochemie – Physikalische und Theoretische Chemie der Freien Universität Berlin. Mit genügend starken Laserpulsen, wäre es auch denkbar, Ionen, also geladene Atome, aus dem Nanoteilchen zu lösen. So entstünde stark gerichtete Ionenstrahlung, mit der sich Tumore bekämpfen lassen könnten. Ferner könnte die Technik neue Perspektiven für die Materialverarbeitung jenseits des Beugungslimits eröffnen – etwa um Nanometer große Bereiche von einer Oberfläche abzutragen.
Die Kombination aus starken Lichtpulsen und Nanoteilchen könnte nach Einschätzung der Wissenschaftler schließlich zu einem Baustein für eine besonders schnelle Elektronik der Zukunft werden. Denn die sogenannte lichtwellengesteuerte Elektronik könnte Daten mit der Frequenz von Lichtwellen (rund 1015 oder eine Billiarde Schwingungen pro Sekunde) übertragen und speichern. Das wäre 100.000 Mal schneller, als es gegenwärtig möglich ist. (Thorsten Naeser – Munich-Centre for Advanced Photonics Public Outreach)
Originalpublikation: F. Süßmann, L. Seiffert, S. Zherebtsov, V. Mondes, J. Stierle, M. Arbeiter, J. Plenge, P. Rupp, C. Peltz, A. Kessel, S.A. Trushin, B. Ahn, D. Kim, C. Graf, E. Rühl, M. F. Kling, T. Fennel. (12.08.2015): Field propagation-induced directionality of carrier-envelope phase-controlled photoemission from nanospheres, in: Nature Communications: http://dx.doi.org/10.1038/ncomms8944 (DOI: 10.1038/ncomms8944)
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