Naher Osten: Bewaffnete Konflikte, politische und wirtschaftliche Krisen, aber auch strengere Umweltgesetze wirken sich auf Luftqualität aus
Politische und wirtschaftliche Krisen sowie internationale Konflikte können sich kurzfristig und drastisch auf die Schadstoff-Emissionen in einer Region auswirken. Das haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie am Beispiel des Nahen Ostens herausgefunden. Die Wissenschaftler analysierten die Stickoxidbelastung (NOx) der Atmosphäre während der vergangenen zehn Jahre. IPCC-Szenarien in den Berichten des Weltklimarates müssen neu bedacht werden.
Die Daten ermittelten sie aus Satellitenmessungen der atmosphärischen NO2-Menge. Demnach sanken die NOx-Emissionen vor allem in Regionen, in denen bewaffnete Konflikte herrschen und aus denen viele Menschen geflohen sind. In Gegenden, in die sich die Flüchtlinge zurückzogen, stiegen die Emissionen dagegen stark an.
Millionen Menschen in Syrien und Irak fliehen derzeit aus ihren Ländern. Die Schicksale dieser Menschen, aber auch wirtschaftliche Krisen hinterlassen in der Atmosphäre genauso Spuren wie woanders Maßnahmen, die Luftqualität zu verbessern. Die Veränderungen in der Atmosphäre belegt nun ein Team um Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie, mit Messungen, wie stark die Luft durch das gesundheits- und umweltschädliche NO2 belastet wird. Die Forscher analysierten Daten, die der Aura-Satellit der Nasa von 2004 bis 2014 in einigen Mittelmeerstaaten und im Nahen Osten gemessen und täglich zur Erde gefunkt hat.
Demnach sind die NO2-Emissionen von 2005 bis 2010 in nahezu allen bewohnten Gebieten des Nahen Ostens deutlich anstiegen. Dagegen sanken sie zwischen 2010 und 2014 vielerorts ab: in Israel, Syrien und im Iran, in und um Kairo, Bagdad und Riad, und auch in den für den Ölexport so wichtigen Häfen am persischen Golf. Im Libanon, in Teilen des Iraks und Jordanien stiegen die NOx-Werte im gleichen Zeitraum aber weiter an.
Fast halb so viel NO2 über Syrien
Die Ursachen für die veränderten Werte sind sehr unterschiedlich: Während in Israel und im saudi-arabischen Er-Riad strengere Umweltgesetze zur Reduktion der NOx-Emissionen führten, beruht die Verminderung in anderen Gebieten auf politischen und wirtschaftlichen Konflikten, Kriegen und Flüchtlingsströmen. „Es ist sehr tragisch, dass die beobachteten Negativtrends der NOx-Emissionen zum Teil mit humanitären Katastrophen einhergehen“, sagt Jos Lelieveld.
Dies wird besonders am Beispiel Syriens deutlich. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 sanken die NOx-Werte über Damaskus und Aleppo um 40 bis 50 Prozent. Laut Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als elf Millionen Syrer auf der Flucht. Vier Millionen davon haben Syrien bereits verlassen, unter anderem ins benachbarte Libanon, wo die Emissionswerte allein 2014 um 20 bis 30 Prozent anstiegen.
Im Irak zeigt sich ein wesentlich komplizierteres Bild der Emissionen: Nach der Invasion durch die USA und Großbritannien in 2003 stieg der Energieverbrauch des Landes seit 2005 um vier bis fünf Prozent, das Bruttoinlandsprodukt sogar um sechs bis sieben Prozent pro Jahr an. Parallel dazu stiegen die NOx-Emissionen von 2005 bis 2014 im kurdischen Norden und im Süden des Iraks kontinuierlich an. In Kerbala, einer vorwiegend von Schiiten bewohnten Stadt südlich von Bagdad, sogar um etwa zehn Prozent pro Jahr. Anders sieht es in und um Bagdad sowie in den zeitweise von der Terrormiliz Islamischer Staat eroberten Gebieten im Zentrum des Landes aus: Hier sanken die NOx-Emissionen zwischen 2010 und 2014 deutlich.
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