Schneeball Erde: Entstehung eukaryotischer Zellen und Diversifizierung des Lebens könnten zu extremen Eiszeiten geführt haben
Der Siegeszug einzelliger Algen vor vielen Millionen Jahren hat womöglich entscheidend zur fast vollständigen Vereisung der damaligen Erde beigetragen: Ozeane gefroren teilweise zu Eis, die Landmassen verschwanden unter Schneedecken, selbst in Äquatornähe herrschte Winter. Jetzt haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena und vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung diese unerwarteten Mittäter für zumindest eine der globalen Eiszeiten ausgemacht.
Der von ihnen verursachte Ausstoß von organischen Kondensationskeimen führte zu verstärkter Bewölkung. Damit trugen sie wahrscheinlich maßgeblich zu einer Abkühlung des Klimas bei, weil Wolken die Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche verringern. Christian Hallmann, der am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften (MARUM) in Bremen forscht, hat gemeinsam mit Georg Feulner und Hendrik Kienert vom PIK-Potsdam diese Theorie in Nature Geoscience veröffentlicht.
Vor etwa 700 Millionen Jahren war die Erde kein blauer, sondern ein weißer Planet. Wissenschaftler präsentieren jetzt eine neue Theorie darüber, wieso die Erde damals unter Schneemassen und Gletschern begraben lag. Sie klingt vielleicht paradox. Denn ausgerechnet eine wachsende Vielfalt des Lebens könnte mitverantwortlich dafür sein, dass die Bedingungen auf der Erde eher lebensfeindlich wurden. Die Abkühlung wurde zwar vermutlich direkt ausgelöst, weil es zu einer starken Verwitterung kam, als der Superkontinent Rodinia auseinanderbrach, und die Menge an [[CO2]] in der damaligen Atmosphäre deshalb stark abnahm. Doch dieser Mechanismus funktioniert nur, wenn das Klima bereits vorgekühlt war. „Eine starke Diversifizierung von Algen könnte die perfekten Bedingungen für das Entstehen einer sogenannten Schneeball-Erde geschaffen haben“, sagt Hallmann.
„In der Erdgeschichte gibt es viele Beispiele für die enge Wechselwirkung von Leben und Klima“, sagt Georg Feulner, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leitautor der Studie. „Die Zunahme bestimmter Algen vor etwa 800 Millionen Jahren hat das Klima deutlich abgekühlt und die nachfolgenden globalen Vereisungen wahrscheinlich erst möglich gemacht. Mit unserer Studie haben wir ein neues Puzzleteil entdeckt, um eine der faszinierendsten Episoden der Klimageschichte besser zu verstehen.“
Kurz bevor die Erde zum Schneeball wurde, haben sich eukaryotische Algen, die erstmals einen Zellkern besaßen und die Vorläufer aller mehrzelligen Lebewesen sind, stark diversifiziert und vermehrt. Diese Algen wirken als Wolkenmacher; Wolken wiederum halten wärmende Sonnenstrahlung von der Erde fern. „Ich habe schon seit Jahren mit dem Gedanken gespielt, dass das erste Aufkommen eukaryotischer Algen einen Klimaeffekt gehabt haben könnte“, sagt Hallmann.