Studie bestätigt technische und juristische Ausstiegsaspekte
Eine Studie des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme, (IZES) Saarbrücken und der Hochschule für Wirtschaft und Recht, (HWR) Berlin erklärt, warum ein vorzeitiger Ausstieg aus der Kohleverstromung die Sicherheit und die Systemstabilität der Stromversorgung in Deutschland nicht gefährden würde. Darüber hinaus prognostizieren Uwe Leprich (IZES) und Stefan Klinski (HWR), welchen Beitrag der Stromsektor zum Erreichen der nationalen Klimaschutzziele mit einer Abkehr von Braun- und Steinkohle leisten könnte.
Die rheinland-pfälzische Ministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung, Eveline Lemke hatte die Studie in Auftrag gegeben und fasste bei der Vorstellung am 31.08.2015 die zentralen Ergebnisse der ersten umfassend angelegten energie- und rechtswissenschaftlichen Untersuchung zum gesteuerten Ausstieg aus der Nutzung von Kohle für die Stromerzeugung in Deutschland in Mainz zusammen: „Wir können bis im Jahr 2040 aus der Stromgewinnung mit Kohle aussteigen. Die Stromversorgung in Deutschland ist auch dann gesichert, wenn wir parallel aus der Atomkraft aussteigen. Das geht beides. Damit widersprechen wir der Kohleindustrie und Bundesregierung, die uns seit Jahren erklärt, dass man den Kohleausstieg nicht gleichzeitig mit dem Atomausstieg beginnen kann.“
Der Energie- und Wirtschaftswissenschaftler Leprich wies darauf hin, dass der vorzeitige Ausstieg aus der Kohleverstromung neben dem Klimaschutz weitere positive Effekte habe: „Der deutsche Kraftwerkspark wird deutlich flexibler, und das Zusammenspiel mit der fluktuierenden Stromerzeugung aus Wind und Sonne wird deutlich einfacher.“
Der Verfassungsrechtsexperte Klinski sah dabei wenig juristische Hindernisse; Deutschland könne sich rechtskonform bei der Stromerzeugung sowohl von Braun- und Steinkohle, als auch von der Atomkraft verabschieden: „Für den Ausstieg aus der Kohleverstromung stehen dem deutschen Gesetzgeber relativ große rechtliche Spielräume zur Verfügung – ohne dass dadurch Entschädigungsansprüche der Kraftwerksbetreiber ausgelöst würden.“
Im EU-Vertragsrecht werde den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Kompetenz zugesprochen, über „die Wahl der Energiequellen und die allgemeine Struktur der Energieversorgung zu bestimmen“ (Art. 194 Abs. 2 Nr. 2 AEUV ? Vertrag über die Arbeitsweise der EU). Diese übergeordnete Regelung verhindere, dass die EU-Richtlinie zum Emissionshandel so ausgelegt werde, als ob sie den Mitgliedstaaten den Ausstieg aus der Kohleenergieerzeugung untersage.
Allgemeinwohlinteresse am Klimaschutz wichtiger als wirtschaftliche Einzelinteressen der Kraftwerksbetreiber
Klinski verneint die Erwartung der EVUs, sie könnten wegen ihrer Anlagengenehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) darauf vertrauen, dass sie ihre Kraftwerke auf unbegrenzte Dauer betreiben dürfen, und begründet dies: „Die Genehmigung entfaltet nur für den engeren inhaltlichen Bereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Vertrauensschutz, nicht für andere Rechtsbereiche. Sie hindert den Gesetzgeber deshalb nicht daran, neue Systementscheidungen zur Energieversorgung zu treffen. Darum besteht im Falle einer gesetzlichen Begrenzung der Laufzeit grundsätzlich auch kein Anspruch auf Entschädigung.“ Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung setzt sich also das herausragende Allgemeinwohlinteresse am Klimaschutz gegenüber den wirtschaftlichen Einzelinteressen der Kraftwerksbetreiber durch.
Die Experten rechnen nur kurz- und mittelfristig mit einem Anstieg der Strompreise und ab etwa 2035 mit Kostenvorteilen für die Verbraucher. Außerdem – so Lemke – müssten die Verschmutzungsrechte für Kohlekraftwerke vom Markt genommen werden. Nur so könne die Klimaschutzwirkung wirklich entstehen. Deshalb sei die Bundesregierung gefordert, sich für notwendige Regelungen zum europäischen Emissionshandel einzusetzen.
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