Hacker: SDGs und Forschung
Die zweite Keynote kam von Jörg Hacker (Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften) sein Thema: „Sustainable Development Goals: Die Forschung ist gefragt“. Hacker, einziges deutsches Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon, räumte ein, die Wissenschaft wäre gern selbst ein Teil-Ziel der SDG geworden, so sei sie Teil der 167 Targets – eine „etwas sperrige Zahl“. In sechs Gruppen habe der Beirat versucht herauszustellen, dass Wissenschaft zentral sei für das Leben dieser SDG. Als Beispiel nannte der Infektionsbiologe die Infektionskrankheiten: die müsse man stärker kontrollieren, ständig entstünden neue Resistenzen gegen Antibiotika. Forschung müsse mit Anwendung zusammenkommen. In diesem Zusammenhang bewertete Hacker die G7 -Konferenz in Elmau positiv.
Welches Wissenschaftsverständnis sei erforderlich? Ein sehr umfassendes – einerseits disziplinär, andererseits sehr breit, alle Wissenschaften einschließend, Natur- und Ingenieurswissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften – für die klassische Medizin nannte Hacker Ebola als Beispiel: naturwissenschaftliche Forschung allein hätte das Problem vor Ort in Westafrika nicht lösen können, Sozial- und Geisteswissenschaften seien für den Umschwung nötig gewesen. So hätte etwa die Form der Begräbnisse den medizinischen Anforderungen angepasst werden müssen; das hätten die Naturwissenschaften nicht alleine leisten können. Die Weitergabe von aufklärenden Texten sei beispielsweise wichtig gewesen.
Um das Medizinsystem zu transformieren, spiele Bildung eine große Rolle, aber auch die Gleichberechtigung der Geschlechter, oder die Nahrungsmittelproduktion. Zum Stichwort Meeresbiologie (die auch bei den G7 eine Rolle gespielt hatte): [[CO2]] sei ein Indikator, der Temperaturanstieg, die Übersäuerung des Meerwassers, der Plastik- und Düngemitteleintrag – das alles sei heute messbar.
Hacker sah ebenfalls keinen Gegensatz zwischen erkenntis-/grundlagenorientierter Forschung einerseits und problem-/anwendungsorientierter Forschung andererseits. Er nannte als Beispiel den Nobelpreisträger Paul Crutzen aus Mainz: Der habe mit seiner Photochemie des Ozons, mit seinen grundlegenden Erkenntnissen über den Abbau der Ozonschicht und den Klimawandel ein generelles Verständnis der Bedeutung der Ozonschicht erzeugt. Danach habe es die Übereinkommen zur Beschränkung der FCKW-Produktion gegeben. Crutzen habe auch Begriff des Anthropozäns in die Wissenschaft eingeführt – den durchaus schillernden Begriff des „Menschengemachten“ an den gegenwärtigen Veränderungen.
Zur Positionierung des deutschen Wissenschaftssystems, zu seiner Verankerung, erläuterte Hacker, es habe sich mit den großen gesellschaftlichen Herausforderungen auseinandergesetzt. Der budgetäre Rahmen des 3%-Ziels sei wichtig gewesen und fast erreicht – wenngleich kleinere Länder wie Israel, Schweden oder Korea mehr für die Forschung aufwendeten: Wir sollten nicht bescheiden sein in Deutschland; Exzellenzinitiative spiele eine gute Rolle für die Differenzierung des Wissenschaftssystems. Seine Leopoldina habe schon vor drei Jahren einen Workshop zum Thema Nachhaltigkeit in der Wissenschaft organisiert und ein Diskussionspapier zur Rolle des Wissenschaftssystems veröffentlicht. Dabei sei die oft beklagte institutionelle Vielfalt der Wissenschaft in Wirklichkeit ein deutscher Vorteil – von neugiergetriebener Grundlagenforschung der Max-Planck-Gesellschaft über die anwendungsorientierte Forschung bei den Fraunhofer-Instituten bis hin zum Transdisziplinären im IASS-Potsdam – aber Kooperation sei unabdingbar.
Als international bedeutend hob Hacker die Transformation des Energiesystems hervor, nicht nur in naturwissenschaftlicher Hinsicht, sondern auch geisteswissenschaftlich und juristisch. Die Internationalität spiele eine größere Rolle, als wir oft dächten, z. B. in der Diskussion um die Emissionzertifikate. Die wissenschaftsbasierte Politikberatung sei in Deutschland relativ breit angelegt, so Hacker, die Akademien, die Allianz, auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung spielten inhaltlich und strukturell eine wichtige Rolle.
Auf Nachfrage von Huthmacher unter dem Stichwort „Meinungsverschiedenheiten“ erwiderte Hacker, wir müssten mehr bisher unbekanntes Wissen heben, als Beispiel nannte er „indigene Methoden, lokales Wissen, das wir nicht kennen – zum Beispiel in der Biodiversitätsproblematik“. Schließlich meinte er im Blick auf den Ban Ki-Moon-Beirat: „Wir haben uns zusammengerauft“.
->Quellen:
- eigene Aufzeichnungen und Fotos von Gerhard Hofmann
- wissenschaftsrat.de
- wissenschaftsrat.de/Positionspapier.pdf
- fona.de/FONA3/Rahmenprogramm.pdf
- fona.de/FONA3/Umwelt-Wirtschaft-Gesellschaft.pdf