„Kopernikus“ – Mammut-Energie-Forschungsprojekt des BMBF

Power-to-X

Ein Thema beschäftigte Schlögl besonders: „Power-to-X“. Schlögl: „Wir erzeugen heute fast allen unseren Strom durch das Brechen von Molekülen, das ist vulgo ein Kraftwerk oder ein Motor, und jetzt müssen wir das Umgekehrte hinkriegen, nämlich die chemischen Bindungen neu zu knüpfen“. Zunächst klinge das einfach: Wenn es in die eine Richtung funktioniere, müsse es in die andere auch gehen – es stelle sich aber heraus, dass das außerordentlich schwierig sei, daher hätten sich in den vergangenen 150 Jahren nur sehr wenige Forscher mit dieser Frage beschäftigt. „Dafür gibt es eine ganz einfache Ursache, die in der Physik begründet ist: Wenn man aus chemischen Bindungen Strom erzeugt, dann geht das sozusagen von selbst – man kann mit großer Effizienz die in den Verbindungen gespeicherte Energie nutzen; der Umkehrschritt ist leider nicht so schön. Denn wenn man Energie in einer chemischen Verbindung speichern will, ist das ein sehr langsamer Prozess und dieser langsame Prozess ist sehr verlustreich.“

Als Beispiel nannte Schlögl die Brennstoffzelle. Dort werde aus Sauerstoff und Wasserstoff Wasser – das gehe wunderbar, wenn man aber das Umgekehrte machen wolle, nämlich aus Wasser wieder Wasserstoff und Sauerstoff, dann stelle sich das als außerordentlich schwer heraus, obwohl es doch eigentlich nur die Umkehrung derselben Reaktion sei. „Weil das sehr unattraktiv für die Wissenschaft ist, hat man gesagt: Das müssen wir nicht machen, machen wir also einfach nicht. Deswegen fehlen uns da ganz grundsätzliche wesentliche Dinge.“

Konkreter gefasst stehe man im Rahmen des Aufbaus der Erneuerbaren Energien vor deren Volatilität; das zwinge zur Überlegung, was man tue, wenn es zu viel Strom gebe. Die Umkehrsituation, wenn es zu wenig Strom gebe, das wisse man, erfordere „irgendeine Zufütterung, wenn man aber sowohl an die Wirtschaftlichkeit als auch an die systemische Umsetzung denkt, liegt das Problem eher auf der größeren Seite: Was tun, wenn man zu viel Strom hat?“ Abschalten sei keine sehr sinnvolle Lösung, denn da verliere man „irrsinnig viel Geld“. Also müssten wir uns neue, auch ökonomisch tragfähige Wege suchen, wie man mit dieser Energie etwas Sinnvolles anfangen könne – und das sei Power-to-X.

Bei Power-to-Gas, der inzwischen schon bekannteren Vorstufe, verwandle man Strom in Wasserstoff; Wasserstoff plus CO2 ergebe Erdgas, das könne man wieder in ein Kraftwerk einspeisen und damit wieder Strom machen. Diese Lösung sehe auf dem Papier zwar sehr schön aus, sie sei aber ökonomisch außerordentlich  kritisch, werde vielleicht auch nicht schon in nächster Zeit funktionieren. „Daher muss man sich überlegen, ob man schlauere Moleküle als Methan machen kann, damit man auch andere Energiebereiche mit Erneuerbaren Quellen versehen kann, zum Beispiel Autofahren mit Erneuerbarem Benzin, oder die chemische Industrie mit Erneuerbaren Rohstoffen versorgen – dann wird dieses ‚X‘ etwas anderes als Methan sein.“

Wind und PV bei Bitterfeld – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Es gebe mehrere in der Wissenschaft diskutierte Varianten, doch sei gegenwärtig keine dieser Varianten in einem Stadium der möglichen sofortigen Umsetzung in der Industrie. „Das ist eines der Grundprobleme, die wir beim Kopernikusprojekt erleben: Nichts von den Dingen, die auf der Liste stehen, ist grundsätzlich neu, aber wir müssen endlich zu einem Zustand kommen, wo wir wissen, was wirklich eine Lösung ist – und das kann man nur, wenn man es mindestens einmal gemacht hat.“ Bis in Deutschland ein Prozent aus einer solchen Lösung entstehe, werde es noch lange dauern. Und wenn man dann in Deutschland ein Prozent des Stromverbrauchs habe, dann seien das 0,01 % des Weltverbrauchs – dennoch sei das ziemlich groß: Man rede da von „500 Meter langen Hallen – keine ‚kleines Ding‘ im Labor“. Wenn man das im Maßstab vergrößere, stelle man allerdings relativ schnell fest, „dass wir fundamentale Dinge nicht verstanden haben, wenn irgendetwas nicht funktioniert – und wenn wir herausbekommen wollen, warum das nicht funktioniert, dann stellen wir fest, dass wir gar nicht wissen, was da eigentlich abläuft“. Das einfachste Beispiel sei eben die Wasserspaltung.

Aus der Ausschreibung: „Mit der Förderinitiative ‚Kopernikus-Projekte für die Energiewende‘ werden technologieorientierte Forschungsprojekte mit systemischem und transdisziplinärem Ansatz gefördert. Das Ziel dieser Projekte ist es, für die Umsetzung der Energiewende relevante Technologien zu identifizieren und bis zur großskaligen Anwendung zu entwickeln. Dabei steht der systemische, gesamtheitliche Ansatz der Projekte gegenüber der Förderung von Einzeltechnologien im Vordergrund. Hiermit wird ein neuer Ansatz in der Ausgestaltung der Energieforschungspolitik verfolgt, in dessen Kern die Initiierung von Innovationen für die Energiewende steht.
Es sollen Forschungsfelder von starker Komplexität, einem hohen Forschungsrisiko und besonderen Potenzialen für die Umstellung des Energiesystems wirtschaftlich nutzbringend erschlossen werden. Forschung und Entwicklung in den Kopernikus-Projekten sollen so dazu beitragen, die sich aus den technologischen Fortschritten ergebenden Chancen auf dem Weltmarkt zu nutzen. Bei grundlegenden Forschungsarbeiten zur Energiewende, die im Rahmen der Kopernikus-Projekte durchgeführt werden, ist eine frühzeitige Einbindung der Wirtschaft notwendig. Dies kann die Umsetzung in einen großtechnischen Maßstab sowie die wirtschaftliche Verwertung eröffnen.“

Folgt: Große Umfrageaktion für Kopernikus