Interview mit KIT-Präsident Holger Hanselka
Im Energiesystem der Zukunft müssen Energieerzeuger, Speicher und Verbraucher intelligent miteinander kommunizieren. Mit dem Energy Lab 2.0 versuchen Forscher ein Modell dieses Systems aufzubauen. Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie, erklärt den neuen Ansatz.
Mit dem Energy Lab 2.0 beschreiten Wissenschaftler neue Wege in der Energieforschung: Statt sich allein auf die Weiterentwicklung regenerativer Energiequellen zu konzentrieren, haben sie nun das komplette Energiesystem im Visier – eine intelligente Vernetzung von der Erzeugung über die Speicherung bis hin zum Verbrauch. Frank Grotelüschen sprach mit Holger Hanselka, Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft für den Forschungsbereich Energie über das Energiesystem der Zukunft.
In der öffentlichen Wahrnehmung geht es bei der Energiewende vor allem darum, die erneuerbaren Energien auszubauen und effizienter und damit günstiger zu machen. Genügt das für eine erfolgreiche Energiewende?
Sicherlich nicht. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie betrifft lediglich einen Aspekt, und zwar den der Energieerzeugung. Doch die Energiewende umfasst deutlich mehr – nämlich Umwandlung, Speicherung, Transport und Verbrauch von Energie. Energiewende bedeutet also, dass wir das gesamte Energiesystem, das sich über Jahrhunderte etabliert hat, komplett umbauen müssen. Das im Zuge der Industrialisierung entstandene zentralisierte Energiesystem mit am Ende sehr effizienten Großkraftwerken, die über das Stromnetz die Energie zum Verbraucher bringen, funktioniert jedoch nur als Einbahnstraße: Der Kunde fungiert hier lediglich als Verbraucher, ein Rückfluss ins System findet nicht statt. Doch genau diese Kunden werden heute immer öfter selbst zu Erzeugern mit eigener Solaranlage auf dem Dach. Dieser Übergang stellt noch große Herausforderungen für unser heutiges Energiesystem dar, die wir gerne annehmen und für die wir auch schon bestens aufgestellt sind.
Worin bestehen aus technologischer Sicht die größten Herausforderungen bei diesem massiven Umbau unseres Energiesystems?
Die Erzeugung sowie der Bedarf an Energie sind großen Fluktuationen ausgesetzt. Die von Windrädern und Solarzellen eingespeiste Energie ist aufgrund ihrer Wetterabhängigkeit zeitlich sowie mengenmäßig schwankend. Die meisten Industrieunternehmen produzieren nicht 24 Stunden am Tag, in den Häusern läuft die Heizung nicht Tag und Nacht. Da sowohl Angebot als auch Nachfrage variieren, lautet das wichtigste Ziel, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten: Zu jeder Zeit muss mindestens so viel Energie verfügbar sein wie benötigt wird. Das ist die große Herausforderung – insbesondere auch für unsere Netzstabilität.