Was verbirgt sich hinter dem Begriff Energy Lab 2.0? Was ist das Ziel, welche Fragen sollen beantwortet werden?
Früher ging es bei unserer Forschung fast ausschließlich um die Einführung der regenerativen Energiequellen: Wie kann man das bestehende Netz um Windräder, Solarzellen oder Biomasse ergänzen? Doch diese pure Ergänzung reicht nicht mehr aus. Es genügt nicht, wenn die Erneuerbaren ihren Strom einfach nur ins Netz einspeisen – sie müssen in ein System integriert werden, in dem Erzeuger, Speicher und Verbraucher intelligent miteinander kommunizieren. Mit dem Energy Lab 2.0 haben wir eine Plattform geschaffen, mit der wir alle Aspekte dieses neuen Energiesystems untersuchen können – von der Erzeugung über die Umwandlung und Speicherung bis hin zum Verbrauch unterlegt mit hochmoderner Informationstechnik. Dieses höchst komplexe Netzwerk wollen wir als Modell aufbauen und erforschen.
Was wird konkret im Energy Lab 2.0 erforscht? Können Sie Beispiele nennen?
Wir bauen ein künftiges Energienetz im Kleinen auf. Dafür steuern die drei Projektpartner verschiedene, bereits vorhandene Komponenten bei: Wir vom KIT bringen unter anderem einen Solar-Speicher-Park und eine Biokraftstoff-Anlage an unserem Standort in Karlsruhe ein. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beteiligt sich z.B. mit einer Testanlage zur thermischen Energiespeicherung, das Forschungszentrum Jülich mit seinem Elektrolyse-Testzentrum. Die vorhandene Infrastruktur ergänzen wir um neue Komponenten, zum Beispiel elektrische, elektrochemische und chemische Energiespeicher sowie eine last- und brennstoffflexible Gasturbine mit Generator. Einige davon werden in Realität aufgebaut, andere am Computer simuliert. Und um all diese Komponenten des KIT und der Partner zu verknüpfen, entwickeln wir ein neues Steuerungs- und Regelungskonzept, das über Informations- und Kommunikationstechnologien aus allen Komponenten ein intelligentes Gesamtsystem erzeugt. Der Ansatz mit den virtuellen Komponenten erlaubt es uns, neue Ideen für Speicher, Generatoren oder auch Steueralgorithmen am Rechner zu konzipieren, um sie dann in einem realen System mitlaufen zu lassen und zu erproben. Wenn sich eine virtuelle Komponente dabei bewährt, wollen wir sie als reales Gerät umsetzen. Für die Energiewirtschaft ist das ein ganz neuer Ansatz, der uns die Möglichkeit bietet, künftige Komponenten schneller und zielgerichteter zu entwickeln.
Wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen?
Vor einem Jahr wurde das Energy Lab 2.0 von der Helmholtz-Gemeinschaft bewilligt, derzeit bauen wir es gerade unter Hochdruck auf. Wir gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr die ersten Ergebnisse präsentieren können.
Mittlerweile gibt es in Deutschland unzählige Projekte mit dem Ziel, die Energiewende voranzubringen. Wie ist diese Forschung koordiniert, und wie passt sich das Energy Lab 2.0 ein?
Die Energieforschung der Bundesregierung ist in einem Rahmenprogramm organisiert, in dem drei Ministerien (BMBF, BMWi und BMU) zusammenwirken. Ein Schwerpunkt dieses Programms ist die institutionelle Förderung. Hier ist die Helmholtz-Gemeinschaft der größte Empfänger von Fördergeldern – und zählt folglich zu den wichtigsten Akteuren in der Energieforschung. Innerhalb der Gemeinschaft haben wir eine Gesamtstrategie entwickelt, bei der jedes der beteiligten Helmholtz-Zentren bestimmte Teilstrategien übernimmt, welche vom KIT koordiniert werden. Dadurch sind wir untereinander so gut vernetzt und abgestimmt, dass wir insbesondere ein solches Großprojekt wie das Energy Lab 2.0 auch kurzfristig mit gemeinsamem Engagement angehen können.
Wie könnte Ihrer Ansicht nach das Energiesystem der Zukunft aussehen, zum Beispiel im Jahr 2050?
Kurz gesagt: Die Energieerzeugung wird grüner und das Energiesystem intelligenter sein als heute. Erneuerbare Energien werden dominieren, ein dichtes Kommunikationsnetzwerk zwischen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern die Energieflüsse regeln und diese durch Energienetze auf den verschiedenen Ebenen transportieren. Spannend wird aber neben der Technologiefrage die Entwicklung der Energiemärkte sein. Wir werden vermutlich beides sehen: eine zunehmende Kopplung der Märkte auf europäischer Ebene und gleichzeitig eine verstärkte Dezentralisierung zu möglicherweise sogar vielen in sich stabilen Mikronetzen. Wenn Sie diese Entwicklung betrachten, wird noch klarer, dass ein solch komplexes Energiesystem einer Steuerung bedarf, die auf modernen Informationstechnologien basiert. –Interview: Frank Grotelüschen–
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