Robert Spanheimer im Solarify-Selbst-Gespräch über die Bedeutung der lokalen Perspektive beim Umbau der Energieversorgung
Die Regionalstrom Franken eG ist eine im Oktober 2014 gegründete Vermarktungsgenossenschaft für Strom aus Bürgerenergieanlagen mit dem Ziel, die zahlreichen Kleinerzeuger der Region westlich von Nürnberg zu bündeln und den Strom gemeinsam mit kommunalen Stromversorgern in der Region bis zum Endkunden zu vermarkten. Die Genossenschaft hat 134 Mitglieder, die Bürgerwindparks, PV- und Biogas-Anlagen in Nordbayern betreiben. Ihr ehrenamtlicher Vorstandvorsitzender Spanheimer will, dass die Menschen im ländlichen Raum durch Profit motiviert werden, sich für die Erneuerbaren Energien einzusetzen. Er begrüßt die BMWi-Vorschläge zu Digitalisierung der Energiewende, kritisert aber, dass kein EEG-geförderter Strom als Grünstrom an Endkunden mehr verkauft werden kann – daher verlangt er, „dass die Verordnungsermächtigung zur Grünstromvermarktung endlich umgesetzt wird“.
Was macht die Vermarktungsgenossenschaft Regionalstrom Franken eG genau?
Am anschaulichsten ist der Vergleich mit einer Winzergenossenschaft: Unsere Mitglieder sind kleine Erzeuger, und gemeinsam mit den regionalen Energieversorgern wollen wir unser Produkt zu einer verlässlichen Stromlieferung veredeln. Für unsere Mitglieder ist die Akzeptanz der erneuerbaren Kraftwerke ein wichtiger Antrieb. Physikalisch fließt der Strom ohnehin zum nächsten Verbraucher. Nun soll der Nachbar einer Biogasanlage oder eines Windparks den Strom auch kaufen können. Der unmittelbare Nutzen der Energiewende wird damit greifbar.
Warum ist die lokale Perspektive besonders wichtig?
Ein Drittel des Stroms kommt in Deutschland aus erneuerbaren Quellen. Das ist ein Erfolg, bedeutet aber auch, dass wir noch viele Solarkraftwerke und Windparks bauen müssen. Wenn die Menschen in den ländlichen Räumen diese Entwicklung mittragen sollen, müssen sie davon profitieren: Durch einen verlässlichen und günstigen Strombezug, Beteiligungsmöglichkeiten an neuen Anlagen und zusätzliche lokale Wertschöpfung. Wir wollen die dezentrale Energiewende in Bürgerhand. Das minimiert im Übrigen auch die volkswirtschaftlichen Kosten der Energiewende. Der Verband der Elektrotechnik hat dies kürzlich in der Studie „Der zellulare Ansatz“ ganz nüchtern berechnet: Ausgehend von der verfügbaren Technik ist es volkswirtschaftlich am günstigsten, wenn jede Region ihr erneuerbares Potenzial nutzt und Überschüsse ausgetauscht werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat in diesem Sommer mit dem Weißbuch zur Energiewende umfassende Reformvorschläge vorgelegt – sind die im Sinne der Bürgerenergie?
Insgesamt sehe ich mehr Licht als Schatten. Viel entscheidet sich jetzt bei der Umsetzung im Detail. Positiv sehe ich zum Beispiel die Vorschläge zur Digitalisierung der Energiewende: Die Kommunikation zwischen dem Schwarm von Stromerzeugern, dem Netzbetrieb, dem Handel und den Endverbrauchern steckt noch in den Kinderschuhen. Wir als Genossenschaft merken zum Beispiel, dass wir PV-Anlagen unter 300 kWp nur sehr schwer in die Direktvermarktung bekommen.
Digitalisierung bedeutet in der Energiewende aber noch viel mehr. Ich vergleiche die jetzige Situation mit der Einführung von Smartphones. Nur sehr wenige konnten sich vor 10 Jahren die heutige Vielfalt von Anwendungen vorstellen. Im Stromsektor geht es um die Verknüpfung von Strom mit Wärmenutzung und der Mobilität, etwa durch die Nutzung von Erzeugungsspitzen in Wärmepumpen, die systemdienliche Einbindung von Speichern und die Erschließung von abschaltbaren Lasten. Als Zusammenschluss von Bürgerenergieprojekten sehen wir hier in der Zusammenarbeit mit Stadt- und Gemeindewerken großes Potenzial. Bürger, die PV-Anlagen betreiben oder sich an einem Windpark beteiligen, sind für neue Entwicklungen im Energiebereich aufgeschlossener. Unsere Biogasanlagenbetreiber stellen sich der Flexibilisierung und der Marktorientierung ohnehin schon seit einigen Jahren sehr engagiert.
Folgt: Was fehlt, was ist zu kritiseren?