Der Standard „wirbt“ für Nespresso

Schöner Aluminium-Schein

Mit dem seltsamen Titel „Nespresso auf dem Weg zu vollständiger CO2-Effizienz: Agroforstwirtschaftsprogramm komplettiert die Wertschöpfungskette“ samt vom Kaffeekapsel-Konzern zur Verfügung gestellter Fotostrecke lobt der österreichische Standard den umstrittenen Kaffee-Großvermarkter. Der Hinweis „Promotion – entgeltliche Einschaltung“ ist darüber in kleinstmöglicher Schrift übersehbar angebracht. Solarify schaut hinter die schöne Fassade.

„100% CO2-effizient“

„Das ambitionierte Agroforstwirtschaftsprogramm soll das Kaffeeunternehmen noch einen Schritt näher zu 100% CO2-Effizienz führen. In Zusammenarbeit mit der Rainforest Alliance und Pur Projet verfolgt Nespresso ehrgeizige Wiederaufforstungsprojekte.“ Seit mehr als zehn Jahren arbeite Nespresso im Rahmen seines AAA Sustainable Quality Programms gemeinsam mit der Rainforest Alliance an der Entwicklung einer nachhaltigen Kaffeeproduktion und der gleichzeitigen Verbesserung der Ökosysteme auf den Farmen. Bereits 2009 habe Nespresso die CO2-Bilanz pro Tasse Kaffee im gesamten Unternehmen um 20% senken können.

Der Kaffeeanbau stelle nun den nächsten Bereich dar, bei dem die Kohlenstoffintensität weiter reduziert werden solle. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie „The Positive Cup“ heiße „das ambitionierte Ziel von Nespresso: den ökologischen Fußabdruck weiter reduzieren und 2020 zu 100% CO2-effizient wirtschaften“. Alles garniert mit Bildern lachender Kaffeebäuerinnen und -bauern.

Agroforstwirtschaft steigert Ernteertrag

Eine Pressemitteilung von Nestlé-Nespresso wird mehr oder weniger wortgleich wiederholt oder „geglättet“ und wirkt wie redaktioneller Text – ohne Quellenangabe: „Durch die Neupflanzung und Erhaltung von Bäumen auf den AAA-Kaffeeplantagen und in deren Umgebung zielt Nespresso mit seinen Partnern darauf ab, die Widerstandsfähigkeit der [Bauern und] landwirtschaftlichen Gebiete gegenüber den erwähnten Bedrohungen zu stärken und die Plantagen auf natürliche Art und Weise vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen“ [Originaltext: „…und dabei das Problem der Auswirkung des Kaffeeanbaus auf die Landwirtschaft anzugehen.“].

„Vor allem die Bauern profitieren von den Maßnahmen“, heißt es. „Neben technischer Hilfe bei der Umsetzung von Agroforstwirtschaftspraktiken werden den Bauern kostenlos lokal gezüchtete Jungpflanzen zur Verfügung gestellt. Auch für Nespresso ist diese Zusammenarbeit sinnvoll, sind doch hohe Qualitätsansprüche an den Rohkaffee ein wichtiger Grundsatz des Unternehmens. Die kultivierten Bäume spenden Schatten und verstärken somit die sensorischen Profile von Kaffeebohnen in diesen Schattenlagen.“

Pilotprojekte in Kolumbien und Guatemala

Deshalb habe der Schweizer „Kaffeeexperte“ vor zwei Jahren mit der Rainforest Alliance und der französischen NGO Pur Projet zwei Pilotprojekte in Kolumbien und Guatemala ins Leben gerufen, die das Problem im wahrsten Sinne des Wortes bei der Wurzel packen. „Das Nespresso Nachhaltigkeitsprogramm ist sehr ehrgeizig und ambitioniert. Wir haben in Kolumbien und Guatemala bereits 130.000 Bäume gepflanzt. Das Ziel bis 2020 lautet, 10 Millionen Bäume in den Anbaugebieten zu setzen“, berichtet Tristan Lecomte, Mitgründer und Präsident von Pur Projet. „Nespresso fordert uns sehr in unserer Arbeit. Das gefällt mir persönlich sehr gut“, so Lecomte im Rahmen der Tagung des Nespresso Sustainable Advisory Board (NSAB) 2014.

2013 habe Nestlé-Nespresso im guatemaltekischen Huehuetenango im Rahmen einer Agrar-Forstwirtschaftsstrategie 150 Bauern dabei unterstützt, 50.000 Rundholz- und Obstbäume anzupflanzen, bis 2020 geplanten sollen 10 Millionen gepflanzt sein, „die es ermöglichen, die restliche CO2-Bilanz von Nespresso weiter zu reduzieren und zu 100% CO2-effizient zu wirtschaften“, so der Standard-Text.

Das große Aber: Nespressos Müll- und CO2-Problem

Keine Rede ist im Standard von Nespressos Problem mit dem Aluminium-Recycling. Dabei steht das sogar auf der (österreichischen) Nespresso-Webseite. Ein schöner Schein, will man doch „75% aller weltweit verkauften Kapseln bis 2013 wieder zurücknehmen können“, wie es „aktuell“ heißt. Denn schon bei einer Kleinrecherche in Wikipedia erfährt man, dass „ein Nachteil die enorme Menge an Müll [ist], der durch die Kaffeekapseln anfällt. Werden diese nicht fachgerecht entsorgt, landet das Aluminium der Kapseln so gut wie immer im Restmüll und kann nicht wiederverwertet werden. Ein großer Teil des hohen Energieaufwandes für die Produktion der Aluminium-Kapseln geht somit verloren. Aber auch das Recycling des Aluminiums ist gegenüber losem Kaffee extrem energieaufwendig.“

Vielleicht hat der Standard noch nichts von Native Advertising (zu Deutsch „Werbung im bekannten Umfeld“) gehört: Formen der Internetwerbung, aber auch in Printmedien, bei denen versucht wird, die Aufmerksamkeit der Internetnutzer durch ein Angebot von Inhalten zu erlangen. Die Werbeinhalte sind nur schwer von den Artikeln zu unterscheiden, welche die Internetnutzer als Content der Plattform bzw. des Printmediums erkennen; es wird also so platziert, dass es primär nicht als Werbung wahrgenommen wird. Die Absicht der Werbenden ist es, die bezahlte Werbung so zu gestalten, dass diese weniger aufdringlich wirkt und doch die Aufmerksamkeit der Nutzer auf sich zieht. Bei Missbrauch von Native Advertising erkennt der Konsument nicht mehr die Werbeabsicht indem er einem Native Ad Artikel vertraut und die transportierte Werbebotschaft unbewusst konsumiert. (nach de.wikipedia.org/Native_Advertising)

Laut eigenen Angaben von Nespresso wurden 2012 pro Minute weltweit 12.300 Nespresso-Espressi getrunken. Werden 1,1 Gramm Aluminium pro Kapsel verarbeitet, kommt man auf 13,5 Kilo in der Minute, 811 Kilo in der Stunde und 19 Tonnen am Tag. „Jährlich entstehen durch Nespresso ca. 6.000 (geschätzte) Tonnen Metallabfall. Das entspricht einem Schrotthaufen, der entsteht, wenn man den Eifelturm zersägt.“ (Philipp Weber auf worldsoffood.de)

Auf seiner (deutschen) Webseite gibt Nespresso als „Unser Ziel“ an: „Ende 2013 gab Nespresso bekannt, dass es seine Recyclingkapazität seit 2009 mehr als verdreifacht und dabei eine Verfügbarkeit von geschätzten 80% erreicht hat und seine CO2-Bilanz um geschätzte 20,7% senken konnte.“
Und:
„Wir werden unsere Rücknahmekapazität für gebrauchte Aluminiumkapseln weltweit auf 100 % steigern und damit die Recyclingquoten erhöhen. Darüber hinaus werden die vom Unternehmen gesammelten Kapseln für neue Kapseln wiederverwertet, soweit dies umweltbedingt sinnvoll ist.“ S_Y: Was ist „umweltbedingt sinnvoll“?

Nespresso muss zudem in Österreich keinen Entsorgungsbeitrag leisten, da die Kapseln der Marke Nespresso keine Verpackung darstellen. Das Unternehmen wirbt in Deutschland damit, dass man die „gebrauchten Nespresso Kapseln samt Inhalt ganz einfach im Gelben Sack oder der Gelben Tonne entsorgen“ könne (nespresso.com/positive/Nachhaltigkeit/Ziele/aluminium). Beim Recycling wird der Kaffeesatz jedoch nicht kompostiert, was eine besonders sinnvolle Verwertung darstellen würde, sondern er verbrennt beim Einschmelzen des Aluminiums und wird so größtenteils als CO2 in der Atmosphäre „entsorgt“.

In der Kritik steht Nespresso außerdem, wie andere Hersteller von portionierten Kaffeepadsystemen, für die am Markt keine Alternativangebote verfügbar sind, aufgrund des so genannten Lock-in-Effekts: Die Kaffeemaschinen sind häufig relativ billig, die Preise für den Kaffee in den Kapseln dafür – zum Teil um ein Vielfaches – teurer als herkömmlicher Kaffee – bei Nespresso-Kaffee zwischen 65 und 80 Euro pro Kilo Kaffee. (Nach Wikipedia)

Solarify hat Zahlen recherchiert: 2005 wanderten in Deutschland 130 Millionen Alukapseln in den Müll (2013 weltweit geschätzt 8 Milliarden) – 2015 werden es 2,55 Milliarden sein – 2.805 Tonnen Aluminium (Plastik- und Aluminium zusammen ca. 4.000 Tonnen) – kein weiterer Kommentar.

->Quellen: