Neun Punkte für bessere Luft in Städten und Ballungszentren: Schärfere Kontrollen und Fahrverbote, niedrigere Grenzwerte und eine Kaufprämie für Elektroautos – und eine Klarstellung
Gastbeitrag von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks in der Süddeutschen Zeitung vom 14.10.2015
„Der Skandal um betrügerische Manipulationen im Abgassystem von VW-Dieselfahrzeugen rückt die Frage nach den Konsequenzen für die Luftreinhaltepolitik ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit.“ So beginnt Umweltministerin Hendricks ihren Namensbeitrag mit neun Punkten, der inzwischen auch auf der Webseite das BMUB steht. Sie will mehr u. a. unabhängige Kontrollen bei Autoabgasen. Diese sollen jedoch von der Automobilindustrie bezahlt werden.
Emissionsgrenzwerte müssten künftig “so anspruchsvoll sein, dass der Diesel dadurch wirklich sauberer wird”. Die Grenzwerte für das neue, realitätsnähere Messverfahren RDE (Real Driving Emissions) sollen schnellstmöglich in Kraft treten: Ab 2017 noch maximal um das 1,6-Fache oberhalb der festgesetzten Abgasgrenzwerte, ab 2019 nur noch um das 1,2-Fache also im Bereich der RDE-Messunsicherheit. Kommunen sollen sich künftig mit Fahrverboten gegen zu hohe Stickoxid-Konzentrationen wehren können, wie beim Feinstaub in Umweltzonen bereit heute möglich. “Der unbestreitbare Klimaschutzvorteil des Diesels darf jedenfalls nicht zu Lasten der Gesundheit gehen”, so die Ministerin. Innerhalb der Bundesregierung will Hendricks eine Kaufprämie für die noch zu teuren E-Autos durchsetzen, weil “die Marktentwicklung deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt”. Um das zu ändern will Hendricks “neben steuerlichen Anreizen eine Kombination aus einer verpflichtenden Quote für E-Fahrzeuge, verbunden mit einem staatlichen Kaufzuschuss”.
Wenn es nach dem Bundesrat geht, sollen Privatpersonen beim Kauf eines Elektroautos 5.000 Euro Zuschuss erhalten. Zur Prüfung einer solchen Umweltprämie hatten die Länder die Bundesregierung schon im Juli aufgefordert. Neben der Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos in den ersten Jahren sollten Elektrofahrzeuge steuerlich noch mehr gefördert werden. Hendricks nannte es eine “bittere Ironie des VW-Skandals, dass mit den Strafzahlungen, die dem Konzern nun drohen, ein Markteinführungsprogramm für mehrere Millionen Elektrofahrzeuge finanzierbar gewesen wäre“. Vom Ziel „eine Million E-Autos bis 2020“, ist die Bundesregierung jedenfalls noch weit entfernt.
Hendricks dürfte allerdings bei ihrem Parteigenossen Bundeswirtschaftsminister Gabriel auf Widerstand stoßen. Der hält nämlich von behördlichen Kontrollen ebenso wenig wie die Autoindustrie. Der VDA setzt auf die Pläne der EU, die Abgastests realitätsnäher zu machen. „Ich glaube, dieser Weg ist der sinnvolle Weg“, sagte Gabriel ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung.
Zur Frage, ob die Dieselbesteuerung angehoben werden sollte, um Kaufanreize für Elektrofahrzeuge zu finanzieren, stellte Hendricks in einer weiteren Pressemitteilung klar: „Eine Anhebung der Steuersätze für Dieselfahrzeuge steht für mich nicht auf der politischen Agenda. In meinem gestern veröffentlichten 9-Punkte-Papier für bessere Luft in Städten und Ballungsräumen habe ich dazu ganz bewusst keine Aussage getroffen. Meine Äußerung im Morgenmagazin des ZDF am 15.10.2015, „man könnte darüber nachdenken“, hat Anlass zu missverständlichen Interpretationen gegeben. Ich bleibe dabei: Eine Verteufelung des Dieselantriebs wäre die falsche Konsequenz aus den Abgasmanipulationen. Es geht darum, durch realistische Messmethoden und Nachkontrollen dafür zu sorgen, dass der unbestreitbare Klimavorteil des Diesels nicht zu Lasten der Gesundheit der Menschen in den großen Städten geht.“
Folgt: Namensbeitrag von Barbara Hendricks in der SZ (gekürzt)