Umstrittene AKW-Subventionen

Chinesische Investoren verringern offenbar Einsatz für Hinkley Point C

Chinesische Atomkonzerne verringern offenbar ihr finanzielles Engagement beim umstrittenen AKW-Projekt Hinkley Point C. Anders als geplant wird beim morgen (20.10.2015) beginnenden Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Großbritannien laut Medienberichten keine offizielle Investitionsvereinbarung zwischen der britischen Regierung und chinesischen Investoren für den Bau des Atomkraftwerks im Südwesten Englands unterzeichnet. Und die Investitionen werden laut Greenpeace Energy um ein Viertel gekürzt.

Zudem wollen die Staatskonzerne China National Nuclear Corporation (CNNC) und Chinese General Nuclear Power Group (CGN) deutlich weniger Geld in den Reaktorbau Hinkley Point C im Südwesten Englands stecken als angekündigt: Der Anteil soll statt der zuvor genannten 40 Prozent nur noch 30 Prozent betragen. Als Gründe dafür werden unter anderem rechtliche Unsicherheiten bei der Finanzierung des AKW-Projektes genannt. Greenpeace Energy aus Hamburg klagt mit weiteren Akteuren gegen die britischen Subventionen in Höhe von 100 Milliarden Euro für das AKW. Laut Studien verzerren diese den Wettbewerb auf dem europäischen Strommarkt und benachteiligen Anbieter erneuerbarer Energien. Ein am 19.10.2015 von Greenpeace Energy veröffentlichtes Dossier belegt zudem, dass mindestens einer der chinesischen Staatskonzerne in Umwelt- und Bestechungsskandale verwickelt war.

[note Europas größte Bank rät britischer Regierung, AKW-Pläne aufzugeben
Die Pläne für Hinkley Point C, Großbritanniens erstem AKW-Neubau nach Ablauf von fast 30 Jahren, stoßen zunehmend auf Kritik von Politik und Banken. Einer Analyse von Europas größter Bank HSBC (Hongkong & Shanghai Banking Corporation) zufolge sind die Kosten für das 35-Milliarden-Euro-AKW „immer schwerer zu rechtfertigen“. Die HSBC hat im Auftrag der EdF den Finanzierungsplan für Hinkley Point C erstellt. „Zu teuer … Nicht nötig …“ so der Tenor der aktuellen Untersuchung. Und : „Wir sehen ausreichend Gründe für die britische Regierung das Projekt zu verzögern oder abzubrechen“ (in Mail on Sunday vom 01.08.2015).]

Hinkley Point C milliardenschweres Risiko für  Investoren – Ratings runter

„Die Investoren wissen, dass Hinkley Point C für sie zum milliardenschweren Risiko werden kann, solange die vom britischen Staat geplanten, üppigen Subventionen noch vor Gericht verhandelt werden“, sagte Greenpeace-Energy-Vorstand Sönke Tangermann (i. Foto li.). Große Ratingagenturen haben bereits negativ reagiert: So stufte Moody’s die beteiligte EDF herunter – Standard & Poor’s tat das gleiche mit AREVA, dem weltgrößten Uran-Lieferanten, außerdem „möge das Vereinigte Königreich doch noch einmal über das AKW Hinkley Point C nachdenken„, riet S&P der britischen Regierung. Sie drohten gleichzeitig, die Kreditwürdigkeit von Investoren herabzustufen, wenn diese in Hinkley Point C investieren. Gründe sei vor allem die Gefahr von massiven Kostensteigerungen und eine unsicheren Finanzierungslage. „Dazu gehört auch die aus unserer Sicht unrechtmäßige und unfaire Beihilfe, welche die EU-Kommission Großbritannien niemals hätte genehmigen dürfen“, sagt Tangermann.

Klagen gegen Hinkley Point C angenommen

Greenpeace Energy hat Mitte Juli zusammen mit acht deutschen Stadtwerken und der oekostrom AG aus Österreich vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg gegen die Subventions-Erlaubnis der Kommission geklagt. Auch die österreichische Bundesregierung geht gerichtlich gegen die von der EU-Kommission genehmigte Beihilfeentscheidung vor. Beide Klagen wurden vom Gericht entgegengenommen und in der vergangenen Woche im offiziellen EU-Amtsblatt veröffentlicht.

CNNC und CGN haben bereits 2013 von der britischen Regierung die Erlaubnis erhalten, sich finanziell an Hinkley Point C zu beteiligen. Teil des geplanten Investitions-Vertrages ist unter anderem, dass beide Unternehmen in Großbritannien mindestens ein weiteres Atomkraftwerk mit chinesischer Technik bauen dürfen. Derzeit wird auch in Großbritannien kontrovers über das Subventionspaket für Hinkley Point C diskutiert – und über die Rolle der chinesischen Partner. Britische Experten und Politiker befürchten Sicherheitsrisiken, mangelnde Transparenz und kritisieren immer stärker die hohen Kosten des Projektes.

„Wir begrüßen, dass die Debatte über dieses teure und riskante AKW-Projekt mit all seinen Folgen auch in der britischen Öffentlichkeit geführt wird“, sagte Sönke Tangermann, „denn nicht nur die staatlichen Subventionen und Garantien sind problematisch, sondern auch die möglichen Investoren.“ Dies zeigt ein Blick auf das neue Dossier mit den bisherigen Aktivitäten der chinesischen Staatskonzerne: Millionenschwere Korruption, ein ökologisch desaströser Uranabbau, Unregelmäßigkeiten bei Atomtransporten und niedrige Sicherheitsstandards bei chinesischen AKW prägen das Bild. Zudem ist über Störfälle in China und die Qualität des Krisenmanagements von CNNC und CGN viel zu wenig bekannt. „Vertrauenswürdige Partner für ein europäisches Energie-Projekt sehen anders aus“, so Tangermann.

Mehr als 30 Milliarden Euro teuer – ohne Atommülllagerung und Rückbau

Neben den chinesischen Unternehmen bleibt derzeit einzig der Betreiber von Hinkley Point C, der französische Staatskonzern Electricité de France (EDF), übrig, um die Investitionen zu stemmen. Diese belaufen sich auf umgerechnet mehr als 30 Milliarden Euro – sofern der aktuell geplante Kostenrahmen eingehalten wird. Der Kraftwerksbauer Areva hat aus finanziellen Gründen (und der Rückstufung, S-Y) seine finanzielle Beteiligung von rund 15 Prozent an Hinkley Point C bereits aufgekündigt. Auch potenzielle Geldgeber aus Kuwait, Katar und Saudi-Arabien haben ihr Interesse an einer Beteiligung zurückgezogen.

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