Folgen des Klimawandels
Hintergrund und Auslöser für den „Marsch“ ist die drohende Klimakatastrophe, die Erwärmung der Erdatmosphäre durch Treibhausgase – zur Zeit der Produktion der damals sogenannten „Fiction“ eher noch Diskussionsgegenstand unter Fachleuten. Der Bericht des Weltklimarats (IPCC) von 2007 lieferte nach Überzeugung vieler Fachleute seriös wissenschaftsbasiert „die beste derzeit verfügbare zusammenfassende Analyse des aktuellen Klimawandels“, so das Thesenpapier zur Konferenz „The Changing Earth“ in Berlin am 02. und 03.11.2009.
Ottmar Edenhofer, Ko-Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, als Vorsitzender der Arbeitsgruppe III einer der Vizepräsidenten des IPCC und Michael Otto-Professor für die „Ökonomie des Klimawandels“ an der TU Berlin, hat 15 „potenzielle politikrelevante Kippschalter identifiziert, die durch die globale Erwärmung in diesem Jahrhundert ausgelöst werden könnten“. Unterscheidungsmerkmal zu früheren Herausforderungen ist die Irreversibilität: Die Schalter, einmal in die andere Richtung gekippt, werden nicht mehr rückholbar sein. Es bleibt uns nicht mehr sehr viel Zeit, diese Schalter zu stabilisieren.
Meeresspiegel steigt
Im Juni 2010 erhärtete eine Untersuchung, für die amerikanische, finnische und deutsche Forscher erstmals Sediment-Daten an der amerikanischen Küste bis vor Christi Geburt ausgewertet haben, die Annahme, „dass die Ozeane umso schneller anschwellen, je wärmer es auf der Erde wird. ‚Der Mensch heizt mit seinen Treibhausgasen das Klima immer weiter auf, daher schmilzt das Landeis immer rascher und der Meeresspiegel steigt immer schneller‘, sagte Stefan Rahmstorf vom PIK, der an der Studie beteiligt gewesen ist.“ (zeit.de) Vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts habe sich der Meeresspiegel praktisch nicht verändert. Seither sei er allerdings pro Jahr um 2,1 Millimeter nach oben geklettert.
„Locked in“
21 1/2 Jahre nach der Erstsendung von „The March“ (der Meeresspiegel ist inzwischen um 4,15 cm gestiegen) – am 11. November 2011 – lud der BDI in Berlin zu einer Pressekonferenz der Internationalen Energieagentur: Der Titel der zweiseitigen Presseerklärung lautete: „IEA warnt: Energie-Zukunft der Welt nicht nachhaltig“. Hinter der fast harmlos, längst vertraut klingenden Warnung steckte eine bedrohliche Sensation: Der kumulierte Kohlendioxid-Ausstoß der kommenden 25 Jahre, so lautete der letzte Absatz, liege im zentralen Szenario des World Energy Outlooks 2011 – vorgestellt wie jedes Jahr von IEA-Chefökonom Fatih Birol – „bei drei Vierteln der gesamten CO2-Emissionen der vergangenen 110 Jahre. Die Folge wäre ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 3,5°C. Würden die jüngst angekündigten politischen Maßnahmen nicht umgesetzt, wäre die Lage noch dramatischer: die Durchschnittstemperatur könnte um sechs Grad steigen.“
Birol wörtlich: „Mit jedem Jahr, das ohne klare Signale für Investitionen in saubere Energien vergeht, wird es aufgrund von ‚Locked-in‘-Effekten schwerer und teurer, unsere Ziele bei Energiesicherheit und Klimaschutz zu erreichen“. Vier Fünftel der bis 2035 insgesamt zulässigen energiebedingten CO2-Emissionen seien mit den bestehenden Kraftwerken, Gebäuden und Fabriken bereits festgeschrieben. Würden bis 2017 keine neuen Maßnahmen ergriffen, dann werde die bis dahin geschaffene energieerzeugende oder -verbrauchende Infrastruktur bereits die Gesamtmenge der bis 2035 zulässigen CO2-Emissionen verursachen. Das bedeutet: 2017 schließt sich die Tür zur Erreichung der 2°-Grenze endgültig, wenn wir nicht handeln. Bis 2100 drohen 5,3 Grad Temperaturanstieg mit katastrophalen Folgen. Wir haben also nicht viel Zeit, das Steuer herumzureißen. Zwei Jahre später prangerte der IEA-Chefökonom an, dass fossile Energien 2012 weltweit mit fast 550 Milliarden Dollar gefördert wurden – erneuerbare Energien dagegen nur mit 100 Mrd.
Armut und Energie hängen zusammen
Lord Nicholas Stern, geadelter Professor an der London School of Economics und von 2000-2003 Chefökonom der Weltbank, behandelte 2006 im sogenannten Stern Review – on the economics of climate change die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels. Edenhofer hält den Stern-Review und den IPCC-Bericht für die wichtigsten in der Klimadiskussion: „IPCC has changed the way governments and the public think about climate change. The Stern Review has changed the way we think about the economics of climate change“, sagte er in seiner Laudatio auf Sterns Ehrendoktorwürde am 04.11.2009 in der TU Berlin.
Stern beschreibt in seinem Buch Der Global Deal die Armut in den Entwicklungsländern und den Klimawandel als die beiden größten Herausforderungen unserer Zeit. Beide „sind unauflöslich miteinander verbunden. Ein Scheitern beim einen wird die Anstrengungen zur Lösung des anderen untergraben. Ein Ignorieren des Klimawandels würde zu einer für Entwicklung und Armutsreduzierung immer feindlicheren Umwelt führen, aber der Versuch, den Klimawandel anzugehen, indem man Wachstum und Entwicklung Fesseln anlegt, würde die für einen Erfolg so wichtige Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern beschädigen; wahrscheinlich sogar irreparabel.“
Stern („im Zentrum der Wirtschaftspolitik muss die Erkenntnis stehen, dass die Emission von Treibhausgasen ein Marktversagen bedeutet“) hatte 2006 im Auftrag der britischen Regierung unter Tony Blair zum ersten Mal eine klare, nüchterne Rechnung aufgemacht, wie viel der Klimawandel kostet. Dafür hatte er physikalische Prozesse in Geld umgerechnet und einander gegenüber gestellt, welche Schäden die Erderwärmung verursacht (bis zu 5,5 Billionen Euro = 20 Prozent des jährlichen Welt-BIP), und was es kosten würde, sie zu vermeiden (damals nur 1 % des BIP – heute bereits 2). Damit hatte er als erster einleuchtend dargelegt, dass CO2-Reduzierung wirtschaftlich ist. Und er rechnete auch vor, was es täglich mehr kostet, je länger wir warten: „Wir wissen, was zu tun ist; es geht um ungeheuer viel“. Dabei steht außer Frage, dass der großzügige Umgang mit den ständig knapper werdenden fossilen Energieressourcen, um nicht zu sagen: ihre Verschwendung, deren Preise unaufhaltsam in die Höhe treibt.
Folgt: Endlich Klarheit: Der Mensch ist verantwortlich