„Mobilität von morgen ist elektrisch, vernetzt und automatisiert“

„Im Fokus der technologischen Entwicklung: die Batterie“

Die deutsche Batterieforschung und -entwicklung sei zwar in den vergangenen zehn Jahren wieder in das internationale Spitzenfeld zurück gebracht worden. Doch „der Vorsprung der Wettbewerber aus Fernost wurde reduziert, aber noch nicht ganz eingeholt“. Die wissenschaftliche Empfehlung einer Forschergruppe unter Eberhard Umbach zur Zellproduktion in Deutschland habe dies festgestellt und weiter empfohlen, die Batterieforschung und -entwicklung durch eine Zellfertigung in Deutschland zu flankieren.

Im Gegensatz zur IT-Welt, so Kagermann, verbessere sich die Leistungsfähigkeit von Batterien nur langsam: bis 2025 um den Faktor 2-3, danach wesentlich geringer. Seit 50 Jahren bestätige eine Leistungsverdopplung alle 18 Monate das Moore’sche Gesetz in der IT-Branche. Kagermann fragte sich: „Was passiert, wenn nun die Digitalisierung mit diesen schnellen Innovationszyklen auf eine Mobilitätsbranche trifft, in der Fahrzeuge einen Planungshorizont von fünf oder mehr Jahren haben? Eins ist klar: Die Digitalisierung ist eine noch größere Herausforderung als die Elektrifizierung.“

Digitalisierung

Hier beschrieb Kagermann „neue Aspekte“ mit den Worten „smart, vernetzt, autonom“ Das Internet der Dinge dringe derzeit „in alle Lebensbereiche vor. 2020 gehen jährlich 10 Milliarden vernetzte Dinge online, Tendenz steigend. Was heißt das für die Mobilität? Das Auto wird zu einem wichtigen Knoten im Internet. Bislang passive, fremdgesteuerte Fahrzeuge werden aktiv und übernehmen mehr und mehr Aufgaben von den Fahrern – von uns.“

Mehr noch: „Jedes physische Objekt bekommt einen digitalen Zwilling im Cyberspace. In dieser virtuellen Welt können Produkteigenschaften und Produktionsabläufe komplett simuliert werden. Nutzer erhalten passgenaue Hilfen, Dienstleistungen und Informationen, noch bevor sie selbst darauf gekommen sind… Willkommen in der Smart Service Welt!“

Der von acatech und Accenture geleitete Arbeitskreis mit über 140 beteiligten Organisationen habe die Konsequenzen dessen auch für die Mobilität aufgezeigt – Kagermann nannte die zwei wichtigsten Botschaften:

  1. „Der individuelle Nutzer mit seinen Gewohnheiten, Bedürfnissen und Vorlieben steht im Zentrum.
  2. Die Hoheit über die Daten wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Daten werden zum Produkt. Wer die Daten der Gegenstände, Geräte und Maschinen mit den Daten der Nutzer zusammenbringt, der bestimmt das Geschäft.“

Weil datenbasierte Geschäftsmodelle aber „disruptiv“ seien, werde niemand mehr allein über das notwendige Know-how verfügen. Deshalb sei er sicher: „In der Smart Service Welt konkurrieren nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern digital vernetzte Ökosysteme. Solche Ökosysteme bilden sich entlang digitaler Plattformen. Dort sammeln sich die digitalen Zwillinge. Diese riesige Menge an Daten – wohlgemerkt, Big Data, noch nicht Smart Data – wird in digitalen Plattformen zusammengeführt, analysiert und verknüpft zu Smart Data, also zu Informationen, aus denen sich neue Services generieren lassen.“

Mobilitätsplattform

Eine Mobilitätsplattform, die viele Datenquellen vernetze, bilde „das Fundament für vielfältigste Smart Services. Etwa für eine intermodale Routenoptimierung, die mir nicht nur Vorschläge macht, den Stau mit der Bahn zu vermeiden, sondern auf Wunsch auch gleich die Tickets bestellt. Oder die mich nicht nur zum Zielort bringt, sondern auf meinen Wunsch hin auch Restaurants heraussucht und einen Tisch reserviert.“ Deutschland werde aber – so Kagermann – nur dann „Leitmarkt und Leitanbieter der neuen Mobilität, wenn wir eine wettbewerbsfähige Mobilitätsplattform aufzubauen“.

Da auf Plattformmärkten besondere Regeln gelten, unterschieden sich solche Ökosysteme von traditionellen Wertschöpfungsketten: „Die übliche Rollenverteilung zwischen Produzent, Zulieferern und nachgelagerten Dienstleistern bricht auf. Ökosystem heißt, dass wechselnde Partner auf Augenhöhe Smart Service Pakete entlang individueller Nutzerbedürfnisse schnüren.
Die zukünftigen Mobilitätsdienste werden also kaum aus der Automobilindustrie allein kommen. Neue Player aus der IT-Industrie positionieren sich bereits heute erfolgreich.“

Als deren Stärken definierte Kagermann:

  • „Sie denken konsequent vom Nutzer ausgehend,
  • sie haben die besten Informationen über dessen Gewohnheiten, Bedürfnisse und Vorlieben,
  • sie haben viel schnellere Innovationszyklen,
  • sie ziehen IT-Spezialisten rund um den Globus an,
  • sie verfügen über eine vielfach höhere Marktkapitalisierung als deutsche Unternehmen,
  • sie kennen die Arbeit in Ökosystemen.“

Folgt: Kultureller Wandel nötig