Brot für die Welt und Germanwatch fordern regelmäßige Nachbesserung der Ziele sowie Engagement gegen klimawandelbedingte Schäden
Zwiespältig fällt die Bewertung von Brot für die Welt und Germanwatch zur Zusammenfassung der Klimaschutzbeiträge der Staaten (INDC-Bericht) für den Pariser Klimagipfel aus: Die Richtung stimmt, doch das Ziel ist noch lange nicht erreicht. Brot für die Welt, Germanwatch und ACT Alliance stellten am 03.11.2015 eine gemeinsame Studie vor, die aufzeigt, wie die Klimarisikolücke in den nächsten Jahren wächst und was ein Loss & Damage-Ergebnis in Paris zur Lösung des Problems beitragen kann.
„Auf der einen Seite hat der Pariser Klimagipfel schon etwas Entscheidendes bewirkt: Es liegen nun die selbst gesteckten Klimaziele von rund 150 Staaten auf dem Tisch. Auf der anderen Seite ist jedoch klar, dass diese Beiträge nicht ausreichen werden, um einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern“, sagt Sönke Kreft, Teamleiter für Internationale Klimapolitik bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Zwar würden die bisher vorgelegten Klimaziele zu einer Verlangsamung des Emissionswachstums führen, doch selbst bei voller Umsetzung der Ziele würde 2030 global noch mehr als ein Drittel zu viel emittiert, um das vereinbarte Zwei-Grad-Limit langfristig einhalten zu können.
„Das Pariser Abkommen soll die Klimapolitik der kommenden Jahrzehnte bestimmen. Es muss deshalb einen realistischen Nachbesserungsmechanismus enthalten“, so Kreft. „Entscheidend ist dabei nicht nur, dass Paris eine Verpflichtung zur Verschärfung der Klimaziele enthält, sondern auch, wann diese erfolgen sollen.“ Die vorgelegte Zusammenfassung der INDCs zeige, dass es sich die Internationale Gemeinschaft nicht erlauben könne, den Klimaschutz nach dem Pariser Gipfel auf die lange Bank zu schieben. Sönke Kreft: „Wir brauchen Verbesserungen der Klimaziele im Fünf-Jahres-Rhythmus. Und die erste Verschärfungsrunde muss unbedingt schon vor 2020 erfolgen.“
„Diese Lücke bei den Klimazielen bedeutet unweigerlich ein größeres Risiko bei den Folgen des Klimawandels. Der heute vorgestellte Synthesebericht zeigt auf schockierende Weise, dass man offenbar in Kauf nimmt, auf eine vermeidbare Katastrophe zuzusteuern anstatt signifikant die Treibhausgase zu reduzieren“, sagt Sabine Minninger, Klimaexpertin bei Brot für die Welt. Zu hohe Emissionen führen zu Extremereignissen, lösen Hungersnöte aus und verschärfen Konflikte sowie Migration. „Die Konsequenz ist, dass betroffene Menschen weltweit erwarten, dass sich das Pariser Abkommen wesentlich stärker als bisher mit dem Problem der Klimaschäden auseinandersetzt, die nicht mehr vermeidbar sind.“ Wenn die Klimarisikolücke in den nächsten Jahren weiter wächst, müsse die Internationale Gemeinschaft hier Lösungen finden. Klimawandelbedingte Schäden (engl. „Loss and Damage“) sind ein strittiger Punkt im Pariser Abkommen.
Die deutschen Umwelt- und Entwicklungsverbände Brot für die Welt, BUND, Germanwatch, Greenpeace, Misereor und WWF haben in ihrer gemeinsamen TRANSFORM-Initiative detaillierte Vorschläge zum Paris-Abkommen veröffentlicht und zeigen dabei auch auf, welchen Beitrag Deutschland leisten muss (s.u.).
Eine der größten Herausforderung des Klimaabkommens ist der Umgang mit Schäden und Verlusten (Loss & Damage) in armen Ländern infolge des Klimawandels. Die drei Organisationen fordern, dass eine klare Agenda für die Betroffenen von Klimaschäden im Abkommen verankert wird, das im Dezember in Paris verabschiedet werden soll. Die neue Studie beschreibt, wie eine solche wirksame Agenda aussehen muss.
Zentrale Herausforderung bei steigenden Klimawandelauswirkungen ist es, Leidtragenden solidarische und koordinierte Hilfe zu bieten. Dafür müssen systematische Klimarisikoanalysen und -management gefördert werden. Zudem müssen neue Ansätze wie die G7-Klimaversicherungsinitiative so umgesetzt werden, dass sie die Ärmsten erreichen. Sie müssen die Umsetzung der Menschenrechte, etwa der Rechte auf Nahrung, Wasser oder Gesundheit, befördern und die Bevölkerung vor Ort mit einbeziehen. Lokal Betroffenen sollte die notwendige Umsiedlung in Würde garantiert werden und Migranten, die ihre Heimat aufgrund des Klimawandels verlassen, brauchen internationalen Schutz. Die Studie bietet u.a. Fallbeispiele aus Bangladesch, El Salvador und von den Fidschi-Inseln.
„Der Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten muss unbedingt im Abkommen von Paris verankert werden. Schäden und Verluste durch Klimaschutz und verbesserte Anpassung zu vermeiden – das muss Ziel des Abkommens sein“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. „Dass es dennoch und bereits jetzt zu Schäden kommt, ist ein Fakt, der nicht länger ignoriert werden darf. Die klimabedingten Fluchtursachen kann man nur wirksam bekämpfen, wenn das Pariser Abkommen auch die Interessen der armen Staaten und Bevölkerungsgruppen angemessen berücksichtigt und die Ärmsten unterstützt.“
„Paris muss die vom Klimawandel Betroffenen stärken“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Deutschland hat gemeinsam mit der EU in den kommenden Wochen die Möglichkeit, sich für die ärmsten und verletzlichsten Staaten einzusetzen.“ Bals weiter: „Die EU als Wertegemeinschaft muss sich dafür einsetzen, dass niemand in der Klimakrise zurückgelassen wird. Sie muss insbesondere diejenigen unter den Industriestaaten überzeugen, die hier noch blockieren, dass dieses Thema nicht mehr von der Verhandlungsagenda zu schieben ist.“
Die Studie wurde von Brot für die Welt, Germanwatch und ACT Alliance erstellt, dem Netzwerk der protestantischen und orthodoxen Kirchen mit 160 Mitgliedern weltweit.
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