Wege zur Transformation des deutschen Energiesystems bis 2050
Für den Erfolg der Energiewende müssen die Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent, bezogen auf 1990, reduziert werden. Der fundamentale Umbau zu einer weitgehend dekarbonisierten Energieversorgung ist allerdings kein Selbstläufer, er erfordert erhebliche Investitionen. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE um Hans-Martin Henning stellten nach fünfjähriger Arbeit eine Studie zur System-und Kostenentwicklung einer klimaschutzkompatiblen Transformation des deutschen Energiesystems von heute bis 2050 vor. Die Energiewende wird in diesem Zeitraum etwas mehr als eine Billion Euro kosten.
Die modell-basierte Untersuchung erstreckt sich über alle Sektoren und Energieträger und analysiert detailliert, wie Deutschland seine Klimaschutzziele durch Maßnahmen der effizienten Energienutzung und den Einsatz erneuerbarer Energien erreichen kann. Dabei werden auf Basis unter-schiedlicher Szenarien verschiedene, kostenoptimierte Transformationspfade aufgezeigt.
„Die Szenarien unterscheiden sich dabei hinsichtlich der in der Zukunft verwendeten Antriebskonzepte im Bereich der Mobilität, hinsichtlich des Umfangs der energetischen Sanierung von Gebäuden und hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Ausstieg aus der Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung erfolgt“, so Autor Prof. Hans-Martin Henning, stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer ISE und Inhaber einer Professur für Technische Energiesysteme am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Außerdem betrachten wir unterschiedliche Zielwerte der Minderung energiebedingter CO2-Emissionen – um 80 %, 85 % und 90 % bezogen auf den Referenzwert im Jahr 1990″, ergänzt Andreas Palzer, Mitautor der Studie.
Mix der Energieträger
Bei allen Szenarien spielen fluktuierende erneuerbare Energien zur Stromerzeugung – also Windenergieanlagen und Photovoltaikanlagen – eine Schlüsselrolle der zukünftigen Energieversorgung. Die notwendigen installierten Leistungen dieser erneuerbaren Energieträger schwanken je nach Szenario von in der Summe 290 GW (bei 80-prozentiger Reduktion der [[CO2]]-Emissionen) bis knapp 540 GW (bei 90-prozentiger Reduktion). Sie werden ergänzt durch Kraftwerke unterschiedlichen Typs zur komplementären Stromerzeugung, Solarthermie-Anlagen für die direkte Wärmebereitstellung und die Infrastruktur für die Bereitstellung eines Mixes aus fossilen, biogenen und synthetisch hergestellten, flüssigen und gasförmigen Energieträgern. Zugleich ergeben sich insbesondere in der Wärmeversorgung massive Änderungen hinsichtlich der verwendeten Techniken auf der Nutzungsseite.
Diese neue Zusammensetzung der Energieerzeuger erfordert ein hohes Maß an Flexibilisierung in der Stromerzeugung ebenso wie in der Stromverwendung. Über die klassischen auf Strom basierenden Anwendungen hinaus müssen neue Stromanwendungen insbesondere im Bereich der Gebäude und des Verkehrs hinzukommen. Zugleich impliziert die Nutzung von Strom in diesen Bereichen, dass Verbrennungstechniken wie Heizkessel und Verbrennungsmotoren zunehmend durch elektrische Maschinen wie elektrische Wärmepumpen und Elektromotoren ersetzt werden. Diese wandeln die Endenergie Strom effizienter in Wärme oder Traktion als die heutigen auf Verbrennungsprozessen basierenden Techniken Brenn- bzw. Kraftstoffe.
Alle Szenarien zeigen eine Zunahme von Erzeugung und Verbrauch von Strom, ebenso die Notwendigkeit der zunehmenden Substitution fossiler Brennstoffe wie Gas oder Erdöl durch erneuerbar erzeugte Brennstoffe. Dies wiederum erfordert die großflächige Installation von Anlagen zur Herstellung synthetischer Energieträger aus erneuerbarem Strom, also Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff, Methan oder flüssigen Brenn-/Kraftstoffen aus Wind- und Sonnenstrom. Der notwendige Ausbaugrad steigt hier allerdings stark mit dem Zielwert der Reduktion energiebedingter CO2-Emissionen.
Die Wärmeversorgung zeichnet sich durch eine starke Elektrifizierung aus. Elektrische Wärmepumpen werden in nahezu allen untersuchten Szenarien zur wichtigsten Technik für die Wärmebereitstellung in Einzelgebäuden. Solarthermie deckt in allen untersuchten Szenarien anteilig den Bedarf an Niedertemperaturwärme in Gebäuden und der Industrie. Signifikant positiv wirkt sich ein beschleunigter Ausstieg aus der Nutzung von Kohle zur Stromerzeugung bis zum Jahr 2040 auf das Erreichen der Klimaschutzziele im Bereich der Energieversorgung aus.
Folgt: Kosten der Transformation