„Fossile Investitionen gefährden Gemeinwohl“ – Versicherer Axa zieht 500 Mio zurück
Ein englisches Wort macht im Deutschen Karriere: „Divestment“ – es bedeutet das Gegenteil von Investment, also Geld aus bestimmten Unternehmen abziehen. Aktuell wird darunter der Rückzug von Investitionen aus fossilen Industrien verstanden. Soeben haben die beiden Star-Okönomen Thomas Piketty und Tim Jackson mit Blick auf den Pariser Klimagipfel in einem in den Zeitungen Le Monde und Guardian zeitgleich veröffentlichten Brief Investoren dazu aufgefordert, ihr Geld aus fossilen Brennstoffen zurückzuziehen.
Der französische Wirtschaftswissenschaftler Piketty schrieb zusammen mit dem „Öko-Ökonomen“ Tim Jackson, Anleger sollten sich aus einem Sektor mit Geschäftsmodellen zurückziehen sollten (divest), die „im Widerspruch zu physikalischen Realitäten stehen“. In dem Brief schrieben die Bestsellerautoren („Das Kapital im 21. Jahrhundert“ und „Wohlstand ohne Wachstum„): Es sei ein seltener und entscheidender Moment in der Geschichte, denn Wissenschaft, Ethik und Wirtschaft sendeten eben übereinstimmend ein klares Marktsignal. Vor dem COP21-Klimagipfel sollten verantwortliche Investoren aus fossilen Brennstoffen heraus gehen. Ende November wird in Paris der richtungsweisende UN-Klima-Gipfel COP21 eröffnet; fast 200 Länder werden versuchen, eine Einigung über die Begrenzung der Treibhausgasemissionen nach 2020 zu erreichen. Die Ökonomen warnten davor, dass das öffentliche Wohl durch fortschreitende Investitionen in Öl-, Kohle- und Gas-Unternehmen, deren Produkte die globalen Erderwärmung anheizen, in Gefahr sei.
[note Es gab in der jüngsten Geschichte einige Beispiele für erfolgreiche Divestmentkampagnen, darunter Darfur und Tabak; die größte und wirkungsvollste spitzte sich während der Apartheid Südafrikas zu. Bis Mitte der 80er Jahre hatten 155 Universitäten in den USA, darunter einige der höchst angesehenen, ihr Vermögen aus Unternehmen abgezogen, die in Südafrika wirtschafteten. Die Regierungen von 26 Bundesstaaten, 22 Landkreisen und 90 Städten, darunter einige der größten im Land, deinvestierten daraufhin ihr Vermögen aus diesen multinationalen Unternehmen. (nach gofossilfree.org)]
Nicht nur Investoren sind gefordert, auch die Regierungen, „alle Formen von Subventionen für fossile Brennstoffe auf dem bevorstehenden G20-Gipfel beenden“ – so die beiden Briefschreiber am Ende ihres kurzen Textes: Denn auch die staatlichen Subventionen für fossile Energien laufen nach wie vor auf Hochtouren: 2014 weltweit etwa 400 Mrd. Euro (nur 75 für die Erneuerbaren). Allein die deutsche Kohleindustrie erhält pro Jahr ca. 3,7 Milliarden aus Steuergeldern, EU-weit sind es gar zehn Milliarden. Dabei haben sich Deutschland und die EU beim Elmauer G7-Gipfel zur Dekarbonisierung der Wirtschaft verpflichtet.
Der französische Versicherer Axa will aus der Geldanlage in Kohlekraftwerken aussteigen – Vorstand Christian Thimann dazu: „Axa hat im Mai dieses Jahres eine Ankündigung gemacht, dass man sich aus Investitionen in Unternehmen, die überwiegend in Kohle investiert sind, bis zum Jahresende zurückzieht. Das ist eine Desinvestition von 500 Millionen Euro und diese ist in der Umsetzung. Das hat man getan aus Einsicht in das Problem des globalen Klimawandels, aus Interesse, als Versicherer, als langfristorientiertes Unternehmen solche Entwicklungen in Betracht zu ziehen, und aus unternehmerischer Verantwortung, schon selbst agieren zu können, auch dann, wenn es noch keine speziellen regulatorischen Vorschriften dafür gibt.“
Der Brief im Wortlaut:
„Externalisierungen berücksichtigen“
„Wissenschaft, Ethik und Ökonomie sind übereinstimmend dabei, ein klares Marktsignal zu senden: im Vorfeld der COP21-Klimaverhandlungen sollten verantwortliche Investoren aus fossilen Brennstoffen aussteigen. Zu einem Zeitpunkt, da die Ölindustrie ihre Geschäftsaktivitäten auf Erneuerbare Energien konzentrieren sollte, tut sie genau das Gegenteil: sie verdoppelt ihren Einsatz auf Kohle, Öl und Gas. Kapital fließt weiterhin in die Exploration und künftige Gewinnung von schmutzigen Energie.
Langfristige Investitionsentscheidungen müssen im Widerspruch zu physikalischen Realitäten stehende Externalisierungen eines Geschäftsmodells berücksichtigen. Im Vorfeld der COP21-Klimaverhandlungen muss die Finanzwelt eine wichtige Rolle bei der Umstellung auf eine neue Energiewirtschaft spielen – eine, wo fossile Brennstoffe in den Böden bleiben müssen. Von einem treuhänderischen Standpunkt aus gibt es eine Reihe von Indikatoren dafür, dass Investitionen in fossile Brennstoffe erhebliche Risiken bergen. Der Energiesektor verlagerte sich stetig von renditestarken, kostengünstigen konventionellen Projekten, zu teuren, kapitalintensiven, komplexen Projekte. Inzwischen wird saubere, kohlenstofffreie Energie schnell wettbewerbsfähig gegenüber schmutziger Energie.
Innerhalb der Investorengemeinschaft haben frühzeitig Bewusste bereits begonnen, sich wesentlich hin zum Divestment aus fossilen Brennstoffen zu bewegen – eine Bewegung, die 2.6 Billionen Dollar der Assets under Management zum Inhalt hat. Die weltweit größten institutionellen Anleger, darunter die norwegische Sovereign Wealth und der Rockefeller Brothers Fonds, haben alle ihrer Besorgnis Ausdruck gegeben in Bezug auf kohlenstoffbezogene Investitionsrisiken und passen ihre Portfolios entsprechend an, indem sie aus Gesellschaften mit fossilen Beteiligungen aussteigen. Divestment beschreibt auch die die Art der Verpflichtungen, die wir von den Regierungen erwarten. Wir rufen die nationalen Regierungen auf, wirksame Verpflichtungen zu ergreifen, um alle Formen von Subventionen für fossile Brennstoffe auf dem bevorstehenden G20-Gipfel beenden.
Thomas Piketty – Paris School of Economics
Tim Jackson – University of Surrey
->Quellen: