Rasende Teilchen im Laserblick

Experimente belegen, wie gut der Bewegungssensor funktioniert

Was dabei geschieht, lässt sich auch veranschaulichen, ohne in die mathematischen Formeln der klassischen Verschränkung einzusteigen. Es reicht ein genauer Blick auf die radiale Polarisation: Polarisierte Lichtwellen stellen Physiker gerne in Form von Pfeilen dar. Bei einem radial polarisierten Lichtstrahl ordnen sich die Pfeile kranzförmig um den Strahlmittelpunkt an. Es gibt also zu jedem Pfeil, der aus dem Zentrum des Strahls herausragt, einen anderen, der genau in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Das heißt, unterm Strich mitteln sich alle Polarisationen zu Null.

Wenn nun an einer Stelle Polarisationsrichtungen abgeschattet werden, haben die gegenüberliegenden Pfeile kein Gegenstück mehr – es bleibt also eine Nettopolarisation, und zwar für jeden Weg eines Partikels durch den Lichtstrahl eine andere. Allerdings lässt sich die Bahn mit einem Laserstrahl nur dann eindeutig bestimmen, wenn man die ungefähre Größe des Teilchens kennt. Denn ein kleines Kügelchen, das dicht am Mittelpunkt des Strahls vorbeifliegt, hinterlässt in der Polarisation dieselbe Spur wie eine größere Kugel, die den Strahl in größerem Abstand zum Zentrum passiert.

Wie gut ihr optischer Bewegungssensor funktioniert, belegten die Erlanger Forscher in Experimenten. So zeichneten sie die Bahn eines einen Millimeter dicken Metallkügelchens durch den Laserstrahl mit einer hohen zeitlichen Auflösung auf, das heißt in sehr dicht aufeinander folgenden Momentaufnahmen. Schließlich testeten sie noch, wie schnell der Sensor auf einen Gegenstand reagiert, der im Strahl auftaucht. Zu diesem Zweck ließen sie eine Messerklinge mit einer Geschwindigkeit von 27 Metern pro Sekunde in den Laserstrahl schnellen. Dabei verdunkelte sich der Laserstrahl innerhalb von 92 Nanosekunden, also in 92 Milliardstel Sekunden, was die Physiker in Schritten von Bruchteilen einer Nanosekunde festhielten.

Klassisch verschränkte Laserstrahlen könnten die Lidar-Technik verfeinern

„In diesen Tests zeigt die neue Technik, dass sie den heute gebräuchlichen Methoden, mit denen sehr schnelle Objekte verfolgt werden, in mancher Hinsicht überlegen ist“, sagt Christoph Marquardt. So frieren Hochgeschwindigkeitskameras Gegenstände, die durch ihr Blickfeld flitzen, zwar in Milliarden Bildern pro Sekunde ein, sie sind aber nicht nur sehr teuer, sondern laufen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. Auch Lichtblitze fangen heute schon Teilchenbahnen ein, und zwar mit sehr hoher zeitlicher Auflösung. Zu diesem Zweck wird die Verzögerung, mit der ein Lichtblitz nach dem Start eines Teilchens ein Bild von diesem schießt, in sehr kleinen Schritten variiert. Das bedeutet aber nicht nur, dass man wissen muss, wann das Teilchen startet. Um seine komplette Bahn aufzuzeichnen, muss der Prozess auch sehr oft auf exakt die gleiche Weise wiederholt werden.

Derlei Nachteile bringt die Technik der Erlanger Physiker nicht mit sich. „Wir können uns für unsere Methode daher einige Anwendungen vor allem in der Forschung vorstellen, auch weil sie vergleichsweise einfach und kostengünstig ist“, sagt Stefan Berg-Johansen, der an dem Projekt gearbeitet hat. „Und wenn wir zusätzliche oder andersartige Laserstrahlen verwenden, können wir die Bewegung eines Teilchens sogar in drei Dimensionen abbilden.“ Mit radial polarisierten Laserstrahlen lässt sich etwa das Hin und Her eines Partikels verfolgen, das mit einer optischen Pinzette mehr oder weniger fest gehalten wird. Oder der Weg, den ein Teilchen aufgrund seiner thermischen Bewegung nimmt. Und schließlich ließe sich mit klassisch verschränkten Laserstrahlen die heutige Lidar-Technik verfeinern, mit der in Wissenschaft und Technik bereits heute oft Entfernungen und Geschwindigkeiten gemessen werden. Ein Lidar misst Distanzen und Bewegungen in Richtung des Laserstrahls, mithilfe der Erlanger Methode ließen sich dabei auch Querbewegungen auf einfache Weise verfolgen. (PH)

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