Südkorea als Beispiel: 4,5 Prozent vom BIP für Forschung und Entwicklung (statt 3)
Die Spielräume der kommenden Jahre werden wir nutzen müssen, um den guten Stand unserer Wirtschaft zu erhalten; denn das, was mir am meisten Sorgen macht, ist das Vertrauen darauf, dass die wirtschaftliche Entwicklung eben einfach so bleibt. Ich vermute, dass die Schwierigkeiten dann beginnen, wenn man glaubt, es bleibe alles so. Ich glaube, wir werden darüber reden müssen, wie wir einen höheren Anteil als drei Prozent am BIP für Ausgaben für Forschung und Entwicklung erreichen können. Wir sind zwar besser als der Rest Europas, aber Südkorea hat sich 4,5 Prozent zum Ziel gesetzt. Ich glaube, das ist das Ziel, das wir uns bis 2025 vornehmen müssen.
Wir werden darüber reden müssen, ob es wirklich so bleiben kann, dass die Wertgrenze für die Abschreibung geringfügiger Wirtschaftsgüter zuletzt vor 50 Jahren verändert worden ist. Da liegen die Rahmenbedingungen für bessere Investitionen der Unternehmen. Natürlich werden wir wieder über steuerliche Forschungsförderung reden müssen und auch darüber, dass wir mit einem Breitbandausbau von 50 Megabit pro Sekunde bis zum Jahr 2018 ein gutes Ziel haben, aber bis zum Jahr 2025 garantiert Gigabitnetze brauchen. Übrigens ist Vectoring dazu eine Übergangstechnologie, aber kein Ersatz für Glasfaser. Also: Das, was wir vor allen Dingen machen müssen, ist, darüber zu sprechen, wie wir Deutschlands Wirtschaft bis 2025 wettbewerbsfähig halten. Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, wie die deutsche Wirtschaft derzeit aufgestellt ist.
Das Plädoyer, wir sollten endlich unsere Exportstärke abbauen, halten Sie am besten in einer Betriebsversammlung von Daimler, Volkswagen, Siemens oder Bosch. Ich werde auch die Beiträge von Ihnen, Herr Bartsch, zum Thema Volkswagen gerne den Betriebsräten dort übermitteln. Wissen Sie, Herr Dehm, an der Seite von Arbeitnehmern zu stehen, heißt, sich in Schwierigkeiten nicht über sie lustig zu machen. Das ist das, was dazu zu sagen ist.
Frankreich
Lassen Sie mich am Schluss meiner Rede noch einige Bemerkungen zu der Situation nach den Attentaten in Frankreich machen. Der französische Journalist Nicolas Hénin schrieb vor einigen Tagen – ich zitiere –: „Die Bilder aus Deutschland von Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen, werden den IS besonders beunruhigen. Zusammenhalt, Toleranz, das ist nicht, was die Terroristen sehen wollen.“ Er fügte hinzu: „Sie fürchten unsere Einheit und unsere Toleranz mehr als unsere Luftangriffe.“ Ich empfinde das als eine bemerkenswerte Aussage von einem Mann, der unter menschenunwürdigen Umständen einmal als Geisel vom IS festgehalten wurde, von dem man alles vermuten könnte, was Rache angeht. Ich finde, er bestärkt uns geradezu, dass sich nach Paris eben nicht alles ändern darf, dass wir unsere Vorstellungen von Zusammenleben, Menschlichkeit und Nächstenliebe nicht aufgeben werden. Das ist ein Aufruf zum Zusammenhalt und zur Solidarität.
Ich finde, weil wir von Frankreich gerade gebeten werden, diese Solidarität auch praktisch werden zu lassen, dass wir das schuldig sind. Es sind die Franzosen gewesen, zusammen mit anderen, die nach 1945 Deutschland, das damalige Volk der Täter, nach Holocaust, nach Vernichtungskrieg, nach Überfall, an den Tisch der zivilisierten Völker Europas eingeladen haben. Ich finde, das müssen mutige Politiker in Frankreich gewesen sein, die das damals gemacht haben. Wir sind den Franzosen etwas schuldig. Deswegen sage ich: Wir müssen ihnen auch jetzt, in dieser Situation, zur Seite stehen. Für mich gibt es dazu keine Alternative.
Flüchtlinge: Bitte an Union
Natürlich wollen wir auch dafür Sorge tragen, dass sich die Entwicklung bei den Flüchtlingen besser vollzieht als in den letzten Monaten. Wir wollen helfen, ordnen und steuern. Vieles davon – das hat der Kollege Kauder gestern zu Recht gesagt – ist auf den Weg gebracht worden. Herr Kollege Kauder, weil Sie das gestern angesprochen haben: Ich bin sicher, wir schaffen auch das zweite Paket. Sie haben doch gesagt, die Fraktionen würden helfen. Jetzt habe ich eine Bitte an Sie. Zurzeit scheitert das Ganze an der Frage, dass wir uns in einer Sache nicht einig werden. Ich finde, das müssen wir schaffen, gerade vor Weihnachten. Ich kann nicht verstehen, warum Ihre Fraktion, bislang jedenfalls, skeptisch ist, ob wir Schwangeren, Minderjährigen unter 14 Jahren und Behinderten eine bessere medizinische Versorgung geben sollten. Das kann nicht sein. Schwangere, Behinderte, Minderjährige und kranke Kinder bekommen derzeit nur eine Notfallversorgung und bei chronischen Erkrankungen keine dauerhafte angemessene medizinische Versorgung. Ich bin sicher, dass wir das angesichts von Kostenordnungen von fünf bis sechs Millionen Euro hinbekommen. Das kann doch nicht ein Bereich sein, bei dem wir zeigen, dass wir uns um Frauen, um werdende Mütter, um Minderjährige und um Behinderte nicht kümmern wollen.
Die Flüchtlingsmigration stellt ohne Zweifel unser Gemeinwesen vor eine ungeheure Aufgabe. Deshalb ist es richtig, dass sich die Koalition darauf verständigt hat, alles in der internationalen Politik dafür zu tun, dass wir es auch wirklich schaffen können. Nicht die Zahl der Menschen, die kommen, ist das Problem, sondern das Problem ist die Geschwindigkeit, in der sie kommen. Ich finde, deswegen ist der Dreischritt richtig, nämlich sich um die Hilfe in den Nachbarregionen Syriens zu kümmern, die Außengrenze der Europäischen Union zu sichern und dann aber auch bereit zu sein, Kontingente an Flüchtlingen, und zwar in hoher Zahl, ohne Schlepper und auf geordnetem Wege nach Deutschland zu holen – nach meiner Vorstellung unter der Überschrift: Frauen und Kinder zuerst und Vorrang für Familien.
Das ist übrigens keine Obergrenze. Das wird nur dann zu einer Obergrenze, wenn man das Asylrecht in Deutschland abschaffen würde – nur dann. Das allerdings werden wir nicht tun. Das ist so etwas wie eine kommunizierende Röhre: Je weniger Menschen in Deutschland Asyl beantragen, desto höher müssen die Kontingente sein, die wir Ländern wie der Türkei abnehmen, wenn wir sie bitten, bessere Bedingungen für Flüchtlinge in ihrem Land sicherzustellen.
Ich glaube, dass das eine kluge Politik ist, bei der wir darauf setzen, dass wir durch eine Zusammenarbeit in Europa mit unseren Nachbarn dafür sorgen, dass die Außengrenze sicher ist, dass Menschen weniger Fluchtgründe haben, weil wir ihre Lebensbedingungen in ihren Herkunftsregionen verbessern, und bei der wir gleichzeitig bereit sind, auch in Zukunft eine hohe Zahl von Menschen, allerdings geordnet, nicht im Chaos und nicht durch Menschenhandel, bei uns aufzunehmen.
Letzte Bemerkung. – Am Ende wird dies alles nur dann funktionieren, wenn wir uns trotz schlimmer Entwicklungen – wie der zwischen Russland und der Türkei – nicht davon abbringen lassen, dass militärische Mittel allein nicht helfen werden, sondern dass wir auch die Mittel der Diplomatie bei der Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien brauchen. Deswegen gehören die beiden Dinge zusammen.
Flüchtlingspolitik ist nicht zu trennen von dem, was wir in der Diplomatie mit all den Möglichkeiten tun, die Frank-Walter Steinmeier mit seinen Kolleginnen und Kollegen dafür nutzt, um die Fluchtursachen besser zu bekämpfen. Ich finde, dann kann das Land auf das stolz sein, was es bereit ist zu leisten. Dies wird auch den Blick der muslimischen Welt auf unser Land und auf Europa verändern – und zwar zum Positiven.
->Quelle: bundesregierung.de