IPP entwickelt Plasma-Steuerung für ITER

Kooperationsvertrag über Software für internationalen Fusionstestreaktor ITER geschlossen

Die komplexe Software, mit deren Hilfe der internationale Fusionstestreaktor ITER betrieben und die Plasma-Experimente in Echtzeit gesteuert werden sollen, wird das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München gemeinsam mit der ITER-Organisation in Cadarache/Südfrankreich entwickeln. Anschließend soll die Software an der Garchinger Fusionsanlage ASDEX Upgrade getestet werden, die schließlich ganz auf das neue Steuersystem umschalten wird. Die auf rund sechs Jahre veranschlagte Zusammenarbeit wurde kürzlich vertraglich besiegelt.

Ziel der Fusionsforschung ist es, ein klima- und umweltfreundliches Kraftwerk zu entwickeln, das ähnlich wie Sonne und Sterne aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnt. Der Brennstoff – ein Wasserstoffplasma – muss dazu berührungsfrei in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen und auf Zündtemperaturen über 100 Millionen Grad aufgeheizt werden. Die Testanlage ITER, die zurzeit in weltweiter Zusammenarbeit aufgebaut wird, soll erstmals zeigen, dass ein Energie lieferndes Fusionsfeuer möglich ist. „Daher wird die ITER-Steuerung komplexer sein müssen als alle bisherigen Systeme“, erläutert Dr. Axel Winter, der im ITER-Team für die Steuer- und Regelsoftware verantwortlich ist (siehe Foto).

Das Steuersystem wird die Messdaten der rund hundert Diagnostiken, mit denen das ITER-Plasma beobachtet werden wird, aufnehmen, auswerten und in Echtzeit zum Regeln der Anlagensysteme – zum Beispiel der Magnetspulen, der Plasmaheizungen, der Brennstoffzufuhr oder der Pumpen – einsetzen. So wird der Ablauf der 5 bis 50 Minuten langen Plasmaexperimente nach den Wünschen der Wissenschaftler zugeschnitten. „Nötig ist deshalb ein kluges System“, so Axel Winter, „das auf die schnellen Plasmavorgänge rasch reagieren kann. Zugleich muss es robust sein und so flexibel, dass wir es über viele Betriebsjahre weiter entwickeln und an veränderte Bedingungen anpassen können“.


Die vereinbarte Kooperation wird in drei Phasen ablaufen: Die komplexe Programmstruktur wird zunächst in Zusammenarbeit von ITER und IPP entworfen, die Software dann von einer Firma geschrieben und anschließend an der IPP-Anlage ASDEX Upgrade getestet. Hier kann man auf große einschlägige Erfahrung zurückgreifen: Am Vorgänger ASDEX war – anstelle der bis dahin üblichen Analogsysteme – 1988 die weltweit erste vollständig digitale Plasmaregelung in Betrieb gegangen. An ASDEX Upgrade arbeitet seit 2000 die erste Steuerung, die komplett auf einem modularen Software-Rahmenwerk aufbaut (framework-based system): Die zahlreichen Diagnostiken und Anlagensysteme werden bei ihren vielfältigen Ein- und Ausgabevorgängen über dieses Rahmenwerk koordiniert. Es macht die Daten verfügbar, regelt die Kommunikation der unterschiedlichen Einheiten miteinander und steuert – den vorgegebenen Wünschen der Wissenschaftler folgend – die Plasmaentladung. Ein Beispiel für die komplexen Regelaufgaben gibt IPP-Presseinformation 12/12.

Eine Rahmenstruktur ist auch für das ITER-Steuersystem gewünscht. Zum Testen an ASDEX Upgrade wird es zunächst parallel zum bestehenden System für die Regelung einer einzelnen Diagnostik eingesetzt und rund zwei Jahre im täglichen Betrieb getestet. Mit den dabei gewonnenen Erfahrungen überarbeitet, soll das neue System schließlich komplett übernommen werden und die Entladungen an ASDEX Upgrade routinemäßig regeln. “Weil die Anlage dann exakt die gleiche Software wie ITER nutzen wird, erwarten wir große Synergien”, sagt der im IPP für das Projekt verantwortliche Dr. Gerhard Raupp: “Für das IPP ergibt sich die einmalige Möglichkeit, Steueraufgaben für ITER an ASDEX Upgrade vorzubereiten. Auch können spätere ITER-Operateure an ASDEX Upgrade ausgebildet und trainiert werden.“

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