Welchen Einfluss haben die CO2-Minderungsziele?
Windenergie und Photovoltaik sind die wichtigsten Erzeugungstechnologien für die Stromversorgung 2050. Geht man davon aus, dass der Preis für CO2-Emissionszertifikate bis 2050 deutlich steigen wird, ist die Erzeugung mit hohem Wind- und PVAnteil in der Regel günstiger als mit einem von fossilen Energien dominierten Kraftwerkspark heutiger Prägung.
Die schwankende Einspeisung erfordert den Einsatz von Flexibilitätstechnologien. Gasturbinen- sowie Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerke sind künftig das Rückgrat einer gesicherten und zuverlässigen Stromversorgung, zu der es wenige Alternativen gibt. Abhängig davon, wie viel Kohlendioxid tatsächlich eingespart werden muss und wie hoch der Anteil Erneuerbarer Energien ist, werden diese Kraftwerke mit Erdgas, mit Biogas oder als Teil von Speichersystemen mit Wasserstoff oder synthetischem Methan betrieben. Sind die Anlagen mit variabler Gasfeuerung ausgelegt, ermöglichen sie eine sukzessive Umstellung auf erneuerbare Brennstoffe.
Wie könnte ein Stromsystem mit 100 Prozent Erneuerbaren aussehen?
Bei einem hohen Wind- und Photovoltaikanteil von 80 bis 95 Prozent könnte man den verbleibenden Strombedarf durch Bioenergie abdecken. Hierzu wäre allerdings bis zu doppelt so viel Biogas erforderlich wie heute verbraucht wird. Wie viel davon tatsächlich für den Stromsektor zur Verfügung steht, kann nur im Rahmen einer nationalen Biomassestrategie entschieden werden. Sie muss sowohl Nutzungskonkurrenzen als auch ökologische und soziale Folgen des Anbaus berücksichtigen. Alternativ könnten deutlich mehr Wind- und Photovoltaikanlagen zusammen mit saisonalen Gasspeichern installiert werden als rechnerisch zur Deckung des Strombedarfs erforderlich (Überinstallation). In diesem Fall würde für den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage weniger als die Hälfte dessen benötigt, was heute an Biogas eingesetzt wird. In besonders wind- und sonnenreichen Zeiten würden die zusätzlichen Wind- und Photovoltaikanlagen dann abgeregelt.
Bei einem niedrigen Anteil an Wind und Photovoltaik wären solarthermische Kraftwerke mit integrierten Wärmespeichern (Concentrated Solar Power, CSP) als Ergänzung zu Windkraft und Photovoltaik vergleichsweise kostengünstig. Von Südeuropa oder Nordafrika aus könnten sie Deutschland über transeuropäische Netze versorgen (Desertec-Konzept). Die Voraussetzung: Erzeugerländer und Transitstaaten gewährleisten die für den Stromtransport erforderliche Rechtssicherheit. Falls noch geringe Restemissionen erlaubt sind, kann der zusätzliche Strombedarf am kostengünstigsten durch Erdgaskraftwerke gedeckt werden. Ohne Erdgas und Solarthermie könnte die Geothermie die Lücke schließen, allerdings verbunden mit relativ hohen Kosten.
Zentrale oder dezentrale Erzeugung? Dezentral 10% teurer
Insgesamt sind Systeme mit starkem Übertragungsnetzausbau sowie dem kombinierten Einsatz von dezentralen und zentralen Kraftwerkstechnologien günstiger als rein dezentrale Systeme. Lässt man die Verteilnetze außen vor, sind die Stromgestehungskosten eines dezentralen Systems rund zehn Prozent höher (nur Anlagen mit einer Leistung unter 100 Megawatt, 90 Prozent Wind und Photovoltaikanteil). Je niedriger der Wind- und Photovoltaikanteil, desto höher sind die Mehrkosten. Deshalb sollte ein hoher Grad an Dezentralität mit einem starken Ausbau von Wind- und Photovoltaikanlagen in allen Teilen Deutschlands, insbesondere nahe der Verbrauchszentren, einhergehen.
Umfragen zeigen, dass kleine, dezentrale Anlagen in der Bevölkerung mehr Zustimmung finden als große, zentrale Anlagen. Darüber hinaus stößt der Netzausbau teilweise auf vehementen Widerstand. Bei der Entscheidung für eine zentrale oder dezentrale Architektur der Stromversorgung müssen daher auch die gesellschaftlichen Präferenzen berücksichtigt werden.
Welche Rolle können Speicher in Zukunft spielen?
Als Kurzzeitspeicher für einige Stunden können Pump- und Druckluftspeicher sowie Batterien dienen. Wesentlich kostengünstiger wäre jedoch das Demand-Side-Management, die gezielte Steuerung der Stromnachfrage von Haushalten und Industrieunternehmen. In Zukunft dürfte es so viele Photovoltaik- und Elektroauto-Batterien, elektrische Heiz- und Warmwassersysteme mit Speichern und steuerbare Haushaltsgeräte geben, dass sie den gesamten Kurzzeitspeicherbedarf abdecken können. Die Herausforderung: Dafür wird flächendeckend intelligente Steuerungstechnik benötigt – und die Verbraucher müssten akzeptieren, dass ihre Geräte „ferngesteuert“ würden.
Mehrwöchige wind- und sonnenarme Phasen („Dunkelflauten“) lassen sich sowohl mit Langzeitspeichern als auch flexiblen Erzeugern, zum Beispiel Gaskraftwerken, überbrücken. Für die Langzeitspeicherung muss Strom in Wasserstoff oder Methan umgewandelt werden (Power-to-Gas), das später in Kraftwerken rückverstromt wird.
Langzeitspeicher kommen vor allem bei einem sehr ambitionierten Klimaschutz zum Einsatz, wenn zu eine begrenzte Zahl flexibler Kraftwerke eingesetzt werden kann (etwa weil wenig Biomasse verfügbar ist). Bis zu einer Einsparung von 80 Prozent CO2 ist es dagegen kostengünstiger, den Überschussstrom für den Wärmemarkt zu nutzen und danach abzuregeln. Wenn es genug Windkraft- und Photovoltaik gibt, können Langzeitspeicher allerdings auch gezielt aufgebaut werden, um die Stromversorgung unabhängiger vom Erdgasimport zu machen.
Folgt: Wie können Stromüberschüsse verwendet werden?