Braunkohlehalden sind wie Atommüll … nur dringender

Verkauf der Lausitzer Vattenfall nicht vertretbar – Kommentar von Christian von Hirschhausen (DIW) – mit freundlicher Genehmigung

Wer in den vergangenen Jahren durch das Lausitzer Braunkohlerevier gefahren ist, kennt die Verkehrsschilder, die das Verlassen von Bundesstraßen mit dem Hinweis verbieten: Lebensgefahr! Tatsächlich ist das Betreten von Braunkohletagebau-Folgelandschaften wegen unbeherrschbarer  Rutschgefahren lebensgefährlich, genauso wie der dem Ort Lieske drohende Dammbruch aus dem ausgekohlten und mit Wasser verfülltem alten Tagebau, dem heutigen Sedlitzer See. Ganz zu schweigen von der „braunen Spree“, welche durch Eisenhydroxid aus alten aber auch aktuellen Braunkohletagebauen langsam nach Berlin fließt, zwar nicht lebens- aber immer noch gesundheitsgefährdend und überaus unappetitlich.

Die Folgeschäden und Ewigkeitskosten des Braunkohletagebaus sind zwar weniger spektakulär als der Atommüll, um den derzeit aktuelle politische Diskussionen laufen, und um eine Größenordnung weniger teuer, aber ansonsten ist alles identisch: Unzureichende Rückstellungen der Bergbautreibenden, Informationsdefizite der öffentlichen Hand, insbesondere der Bergämter gegenüber den Monopolisten (hier in der Lausitz noch Vattenfall), und die Gefahr, sehen – den Auges in eine Situation à la Atomwirtschaft reinzurutschen, bei der die Gewinne des Geschäfts von einem Investor übernommen werden und die öffentliche Hand auf den Milliardenkosten der Umweltverschmutzung und der Sicherheitsmaßnahmen sitzenbleibt.

Und dann stellen Sie sich den Trubel vor, wenn man die deutschen Atomkraft­werke samt schwach-, mittel- und hochradioaktivem Abfall an einen ausländischen Investor verscherbeln würde, einen staatlichen Energiekonzern oder eine Heuschrecke. „Un­möglich, undenkbar, geht gar nicht!“, und keine Politikerin hätte den Mut, diesem Geschäft zuzustimmen. Genau das passiert aber derzeit mit der Braunkohlewirt­schaft in der Lausitz, welche – analog zur Atomwirtschaft – mit unabsehbaren Folge- und Ewigkeitskosten belastet ist und weit und breit kein Konzept existiert, wie diese unsiche­ren und teilweise weit in der Zukunft liegenden Kosten beglichen werden können. Außer natürlich, man wählt den für Verkäufer und Käufer günstigsten Weg und bürdet die Folgekosten dem (deutschen) Steuerzahler auf, wohingegen sich Käufer und Verkäufer an dem privaten Wert der noch vorhandenen Braunkohlevorkommen bereichern.

Tatsäch­lich beinhaltet das Verkaufsangebot von Vattenfall in der Lausitz, auf welches sich drei Interessenten gemeldet haben, durchaus attraktive Assets, vor allem einige Blöcke der Kraftwerke Schwarze Pumpe und Boxberg. Was aber vor 25 Jahren aus struktur- und beschäftigungspolitischen Gründen sinnvoll war, darf sich heute nicht wiederholen: Damals rettete Bundeskanzler Helmut Kohl die ostdeutsche Braunkohlewirtschaft, die die westlichen Energieversor­gungsunternehmen am liebsten übernommen und dann schrittweise kleingeschrumpft hätten. Viele tausende Arbeitsplätze wurden so gerettet, indem die Bundesregie­rung neue Braunkohlekraftwerke finanzieren ließ und die Altlasten des DDR-Braunkohletagebaus auf den Steuer­zahler umlegte: Die Lausitzer und Mitteldeutsche Berg­bau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) ist seitdem als hundertprozentige Tochter des Bundes unter der Aufsicht des Bundesfinanzministeriums für diese Kosten zuständig.

Nein, eine Wiederholung des Szenarios „Gewinne privati­sieren, Verluste sozialisieren“ à la Atomwirtschaft darf es in der Lausitzer Braunkohlewirtschaft nicht geben. Sowohl der Bund als auch die beteiligten Länder (Berlin, Brandenburg und Sachsen) können keiner Verkaufslösung zustimmen, bei der ein Investor sich die Rosinen des angebotenen Pakets herauspickt und die Bergfolgeschäden auch des laufenden Betriebs geflissentlich der öffentlichen Hand übereignet. Die Braunkohle in der Lausitz (und anderswo) ist aufgrund der Umweltschäden und der Ewigkeitskosten volkswirt­schaftlich gesehen ein Wertevernichter, und daher sollte die öffentliche Hand hier einen Verkauf verhindern und statt dessen einen nachhaltigen Strukturwandel angehen, der – in unserem Jargon – „wohlfahrtssteigernd“ wäre.

[note Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, Forschungsdirektor für Internationale Infrastrukturpolitik und Industrieökonomie am DIW Berlin – Der Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder.]

->Quelle: diw.de