UN-Klimakonferenz geht in Verlängerung – Klimaexperten kritisch
Die UN-Klimakonferenz wird erwartungsgemäß verlängert. Das angestrebte weltweite Klimaschutzabkommen solle laut der neuen Planung am Samstag verabschiedet werden, teilte die französische Konferenzpräsidentschaft am Freitagmorgen, dem 11.12.2015, mit. Führende Klimawissenschaftler reagierten enttäuscht auf den aktuellen Entwurf.
Am Donnerstagabend hatte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius einen neuen Entwurf für das Abkommen vorgelegt. Dieser solle noch den Freitag über in den Delegationen beraten werden, bis am Samstagmorgen ein endgültiger Text vorgelegt und im Laufe des Tages verabschiedet werden solle, hieß es.
Der neue Text enthält neben dem Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, auch den besonders von den kleinen Inselstaaten geforderten Grenzwert von 1,5 Grad Erderwärmung – allerdings nur als ein zusätzliches Ziel, um Risiken und Klimaschäden deutlich zu verringern.
[note Avaaz: „Bei COP21 liegen sich die Delegierten in den Haaren. Die Minister waren bis 5:40 Uhr morgens bei den Verhandlungen! Venezuela, Saudi Arabien, Indien und China formieren die “Koalition der Paragraphen-Löscher” und streichen genau die Passagen, die dem Abkommen Biss verleihen. Die EU und die USA drücken sich immer noch vor ihrer Verantwortung als große Verschmutzer-Staaten.“
Am 11.12.2015 schaltete das Kampagnen-Netzwerk Avaaz diese Anzeige in der internationalen Ausgabe der News York Times. Sie ruft fünf wichtige Entscheidungsträger zu einem Abkommen für 100% saubere Energie auf.]
Wissenschaftler: „Gefährlich bis tödlich“
ARD-Reporter Werner Eckert hat beim Klimagipfel eine Veranstaltung von Wissenschaftlern besucht, die Auswirkungen des künftigen Klimavertrags – wenn er zustande kommt – untersuchen. Hier seine Eindrücke:
Gefährlich bis tödlich nennt Professor Kevin Anderson vom „Tyndall Center for climate change“ den derzeitigen Verhandlungsstand. Fünf wissenschaftliche Institute sind sich einig: dass darin maximal 1,5 bis zwei Grad Erderwärmung als Ziel festgeschrieben werden, ist gut, aber für sich genommen nur eine Hausnummer. Denn alle konkreten Vorgaben für die Staaten sind bereits aus dem Entwurf gestrichen.
Das ist alles vage und setzt keine klaren Signale, sagt Professor Johan von der Universität Stockholm. Er rechnet vor: Wenn nur die bereits eingereichten, freiwilligen Selbstverpflichtungen der Länder umgesetzt werden, dann führt das die Welt auf mehr als drei Grad zu. Und da es bis 2030 auch keine Verbesserungen geben muss, wird bis dahin so viel C02 ausgestoßen, dass damit auch die Chance vertan ist, jemals unter zwei Grad zu bleiben.
Ungenügend nennt auch Professor Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung die konkreten Vorgaben für den Klimaschutz. Er vertritt allerdings die Auffassung, dass die Atmosphäre vorübergehend mehr CO2 vertragen würde, wenn man es anschließend – durch Aufforstung zum Beispiel – wieder herausholt. 1,5 Grad erscheinen nach Angaben der Wissenschaftler unrealistisch. Dazu müsste der Kohle-, Öl- und Gasverbrauch der gesamten Welt schon 2020 seinen Höhepunkt erreichen und danach stark sinken, spätesten 2050 „0“ sein. Die Wissenschaftler sind auch enttäuscht davon, dass von „Dekarbonisierung“, also vom Abschied von fossilen Brennstoffen, nicht mehr die Rede ist. Stattdessen ist nun von „Treibhausgas-Neutralität“ die Rede. Das unterstellt nämlich, dass Wälder und Ozeane CO2 aufnehmen.
Steffen Kallbekken von der Universität Oslo nennt das riskant. Bislang speichere der Ozean nämlich 55 Prozent der Treibhausgase. Aber erstens wird er dadurch immer saurer und zweitens werde das nicht unbeschränkt weiter so gehen.
Den internationalen Delegationen geben Greenpeace-Aktivisten zum Abschied ein optisches Andenken mit auf den Weg: Rund um den Arc de Triomphe kreierten sie ein riesiges Sonnensymbol – eine leuchtend gelbe Erinnerung für die abreisenden Konferenzteilnehmer, dass die Zukunft den Erneuerbaren Energien gehört, gut sichtbar beim Blick aus den Flugzeugen.
->Quelle: euractiv.de