Verursachung zur Lösung umgedeutet
Grünes Wachstum, Nullemission, Energiewende, ökologische Modernisierung. Die Klimadebatte hat ihr eigenes Vokabular hervorgebracht, dessen Begriffe eine strukturkonservative Agenda transportieren: Mit marktbasierten Klimaschutzinstrumenten, grüner Technologie und globalem Management sollen die lebenswichtigen Funktionen der Atmosphäre bewahrt und gleichzeitig ungebremstes Wachstum ermöglicht werden. Dieses Ideal der Industriegesellschaften hat jedoch den Klimawandel verursacht und wird nun zu dessen Lösung umgedeutet. Im Wörterbuch Klimadebatte analysieren Expertinnen aus Sozial-, Politik- und Kulturwissenschaften über 40 Schlüsselbegriffe des Klimadiskurses, die diese Utopie plausibel und alternativlos erscheinen lassen, und zeigen notwendige Perspektiven jenseits einer neoliberalen Klimapolitik.
Ungleich verteilte Kosten werden nachhaltige Entwicklung verunmöglichen
Das Werk vereint – so das Vorwort der Herausgeberin „über vierzig Begriffsanalysen, in denen die Autor innen eine kritische Betrachtung und Einordung der diskursprägenden Argumentationen ermöglichen. Das Wörterbuch will damit ein Nachdenken über vorherrschende Strategien und mögliche Zukünfte anregen. Es will nicht Mythen der Umweltpolitik aufdecken oder Alternativen beschreiben – dazu liegen bereits aufschlussreiche Sammelbände vor – sondern Kritik an der scheinbaren Alternativlosigkeit einer neoliberal globalisierten Klimapolitik formulieren. Die Autorinnen machen deutlich, dass es einfache und bequeme Lösungen für die komplexen Dynamiken des Klimawandels und die damit zusammenhängenden sozial-ökologischen Verhältnisse nur zu hohen sozialen Kosten geben kann. Und diese Kosten werden genauso ungleich verteilt sein wie bisher und damit eine nachhaltige Entwicklung, die auf internationale und intragenerationale Gerechtigkeit zielt, verunmöglichen.
Angebliche Alternativlosigkeit der Strategien
Um diese Kritik an der institutionalisierten Klimapolitik nachvollziehbar zu machen, wurden Begriffe ausgewählt, die zum einen die Problemwahrnehmung des Klimawandels festschreiben (->Planetarische Grenzen, ->Klimavulnerabilität, ->Klimakatastrophe, ->Klimakonflikte, ->Klimaflüchtlinge), zum anderen die Lösungsstrategien zur Bewältigung des Klimawandels festlegen (->Energiewende, ->Effizienzrevolution, ->Agrartreibstoffe, ->Bioökonomie, ->Geoengineering, ->Smart Cities) und die Chancen der Klimawandelbewältigung betonen (->Wachstum und Wohlstand, ->Energiedemokratie, ->Ökologische Modernisierung, ->Klimafreundlicher Konsum). Außerdem werden die Begriffe für die bevorzugten Gestaltungsformen der Klimapolitik kritisch reflektiert (->Globales Umweltmanagement, ->Klima-Governance, ->Weltbürgergesellschaft, ->Weltklimarat).
Die Querverweise innerhalb der Einzelbeiträge zu verwandten Begriffen der Klimadebatte zeigen, dass die impliziten Argumentationen dieser Begriffe an vielen Stellen strategisch gekoppelt sind. Das ist möglich, da sie an gemeinsame Narrative von Umwelt und Entwicklung anschließen. Als Anregung für die Leser_innen, die diskursiven Verbindungslinien der einzelnen Begriffsreflektionen nachzuvollziehen, werden sechs Narrative der Klimadebatte skizziert, deren Rhetorik den hier vorgestellten Begriffen implizit ist: Der Alarmismus einer nahenden Klimakatastrophe, die Anrufung des Klimawandels als Menschheitsproblem, die Formulierung von abstrakten globalen Grenzwerten, die Fokussierung auf eine Technologieentwicklung zur Einhaltung dieser Grenzwerte, das Profitversprechen für ein Klimaschutzengagement und die Erklärung der Alternativlosigkeit dieser Strategien.
Das „Wörterbuch Klimadebatte“ wurde von Sybille Bauriedl (Geographisches Institut der Universität Bonn) herausgegeben und erschien im Transcript Verlag. Sybille Bauriedl ist am Geographischen Institut der Universität Bonn tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Umwelt- und Klimapolitik in Europa und Afrika, Gentrifizierung europäischer Metropolen sowie Geschlechterforschung. Uta von Winterfeld vom Wuppertal Institut hat das Kapitel „Suffizienz“ beigetragen.
->Quellen: