Paris ist der Auftakt: Die Nationen starten in den Klima-Wettbewerb
Mit freundlicher Genehmigung von Claudia Kemfert
Peng! In Paris wurde gerade der ultimative Startschuss im Wettrennen um die Zukunft abgefeuert. Knapp 25 Jahre nach der legendären Rio-Konferenz, auf der die Staaten erstmalig künftige Klimaschutzmaßnahmen vereinbarten, wurde nun ein Klimaabkommen erzielt, das diesen Namen wirklich verdient. Nach zwei Jahrzehnten gescheiterter Klimaverhandlungen ist es in Paris erstmalig gelungen, ein weltweites Abkommen für den globalen Klimaschutz zu erwirken, dem alle Staaten zugestimmt haben. Klimapolitisch ein kleines, diplomatisch ein großes Meisterstück. Ein Kommentar aus Capital.
Das Kyoto-Protokoll, 1997 vereinbart und seit 2005 offiziell in Kraft, blieb dagegen ein wirkungsloser Papiertiger. Vor allem diplomatisch: In Kyoto versuchten die Beteiligten, den Verursacherstaaten „von oben“ fest vorgeschriebene Treibhausgasminderungen zu verordnen. Den Gehorsam verweigert haben sich nicht zuletzt die USA, die das Kyoto-Abkommen nie unterzeichneten; Kanada ist erst kürzlich ausgetreten. Und viele Länder haben das Kyoto-Protokoll zwar ratifiziert, doch nicht ernsthaft für Klimaschutz engagiert. Selbst Klima-Musterschüler Deutschland wird die eigenen Klimaziele nicht erreichen.
So ist Kyoto auch klimapolitisch folgenlos geblieben: Die weltweiten Emissionen steigen immer weiter an; ein Ende ist nicht in Sicht. Die CO2-Großemittenten USA und China haben in den letzten Jahren den Schwarzen Peter hin- und hergeschoben und auf diese Weise jedes verbindliche Klimaabkommen verhindert. Beim Böse-Buben-Spiel um das Klima haben auch Länder, die mit dem Verkauf fossiler Energien viel Geld verdienen, wie Saudi Arabien, munter mitgemischt und die Verhandlungsprozesse erschwert. Der Volksmund weiß: Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe. Die letzte wichtige Klimakonferenz vor Paris in Kopenhagen ist an solchen macht- und wirtschaftspolitischen Spielchen gescheitert.
Klimaschutz wird „von unten“ gemacht
Vor und in Paris war diesmal alles anders – auch dank des Verhandlungsgeschicks der Franzosen. Besonders wichtig und richtig war der bewusste „Bottom-up“-Ansatz, der jedes Land einzeln auffordert, per Selbstverpflichtungen zu benennen, welchen Beitrag sie zum Klimaschutz leisten wollen und können. Dieser Ansatz bewahrt davor, unrealistische Ziele festzuschreiben, die im Nachhinein wieder verworfen werden müssen. Klimaschutz wird „von unten“ gemacht. Er muss aus den Staaten selbst kommen, die Menschen müssen ihn unterstützen. Wer mitreden darf, übernimmt Verantwortung. Statt Einwände gibt es so Ideen und konkrete Maßnahmenpläne. Klein, aber realistisch. Fein, aber machbar. So bringt man Klimaschutz auf die Erfolgsspur.
„12.12.15“ positive Zahl im Menschheits-Gedächtnis – hoffentlich
Erstmals haben dank des Pariser „Bottom-up“-Prozesses auch die USA und China konkrete Vorschläge für mehr Klimaschutz unterbreitet. In Fünf-Jahres-Schritten wird nun überprüft, wie weit der Fortschritt ist. Statt Ausreden werden wir ganz sicher vor allem Erfolgsstorys hören. Denn das neue Verfahren braucht keine Sanktionen. Schließlich verliert jeder Glaubwürdigkeit, der nicht mal die selbstgesetzten Ziele erreicht. Der soziale Druck, sich beim nächsten Treffen mit schwachen Ergebnissen zu blamieren, ist ungleich größer als beim Schwarze-Peter-Spiel der Vergangenheit. Wer versagt, versagt offensichtlich. Das tut niemand gern.
Das Pariser Abkommen ist deswegen mehr als ein Papier. Es ist wichtiger Meilenstein für den weltweiten Klimaschutz. Das Datum „12.12.15“ wird sich hoffentlich als positive Zahl ins Gedächtnis der Menschheit einprägen. Denn mit diesem Tag beginnt ein Klimaschutz-Zeitalter voller großer wirtschaftlicher Chancen. Nun öffnen sich riesige globale Märkte für Innovationen und Zukunftstechnologien, Räume für Kreativität und Wettbewerb sowie erhebliche wirtschaftliche Vorteile durchs Energiesparen. Investitionen in Wachstumsmärkte schaffen Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze.
Klimaschutz funktioniert nur „bottom up“
Zur Blaupause für die globale Energiewende dürfte die deutsche Energiewende werden. Das wissen alle, nur viele Deutsche noch nicht. Dank der deutschen Energiewende sind bereits jetzt weltweit die Kosten Erneuerbarer Energien massiv gesunken und hierzulande knapp 400.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Zwar wurde in den vergangenen Jahren die Energiewende in Deutschland nach einem guten Start politisch ausgebremst und der Strukturwandel massiv behindert. Doch das Signal aus Paris ist eindeutig und verweist die Lobbyisten der Vergangenheit klar vom Platz. Ihre rhetorischen Nebelkerzen haben beim Verhandlungsmarathon diesmal keine Wirkung gehabt. Deutschland kann der Welt jetzt glaubwürdig den Weg in die Zukunft weisen: Denn wir haben einen Wissensvorsprung im Umgang mit erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Wir sollten ihn nicht verspielen.
Kohleausstieg, konsequentes Energiesparen und nachhaltige Mobilität – im Galopp
Wer morgen noch in der globalen Wirtschaft mitspielen will, muss die Herausforderung zielgerichtet annehmen: Kohleausstieg, konsequentes Energiesparen und nachhaltige Mobilität. Schritt für Schritt, aber besser im schnellen Galopp als im sanften Trab. Denn nunmehr steht die Welt im Klima-Wettbewerb. Auch wenn die hiesige Industrielobby schon wieder jammert, steht die deutsche Wirtschaft in Wahrheit ganz gut da. Wer frühzeitig aus der staatlich gut gepolsterten Sofaecke der fossilen Welt in die Startblöcke der Klimaschutzwirtschaft wechselt, wird bald die Nase wieder vorn haben – ohne gezinkte Karten und langen Ausreden. Gerade die Autobranche hat enorme wirtschaftliche Chancen, wenn sie nur endlich den Weckruf hört und auf alternative Antriebstechnologien und –stoffe umstellt.
Das Pariser Abkommen ist der Start vom Ausstieg aus den fossilen Energien. Der Ausverkauf hat begonnen. Öl wird so billig und so viel noch nie angeboten. Die aktuellen Schleuderpreise mögen verlockend sein. Aber wer klug ist, verplempert keine Zeit mit der Ramschware der Vergangenheit, sondern investiert in die Wachstumsmärkte der Zukunft. Es wird Zeit, die Augen zu öffnen. Die Märkte gehören denen, die sie sehen.
Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung
->Quelle: m.capital.de