enervis: Entwarnung an der Strompreisfront?

Entschärfung durch Verknüpfung zweier Märkte

Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

Historisch nahm die Häufigkeit negativer Sechs-Stundenblöcke am day-ahead-Markt seit 2013, am intra-day-Markt seit 2012 von Jahr zu Jahr kontinuierlich zu. Dies gilt allerdings nicht für die Schnittmenge aus day-ahead- und intra-day-Markt: in allen Jahren lag die Schnittmenge negativer Preise auf beiden Märkten stets deutlich unterhalb der Häufigkeiten auf den einzelnen Märkten. Dies verdeutlicht die Entschärfung des §24 durch die Verknüpfung beider Märkte.

Betrachtet man den Zeitraum 2012 bis 2015, so wird aber auch klar, dass die Schnittmenge zeitgleich negativer Preise auf den beiden Märkten von Jahr zu Jahr stark schwankt (z.B. von über 80% in 2013 auf unter 20% in 2014). Daran zeigt sich ein zentraler Nachteil der aus Sicht der Windbranche grundsätzlich zu begrüßenden Entschärfung des §24: die Prognose der Häufigkeiten von §24-Stunden wird durch die Verknüpfung von day-ahead- und intra-day-Markt schwieriger, die Berechnung zukünftiger Erlösverluste unsicherer. So hat u.a. die Prognoseungenauigkeit der Direktvermarktung (die sich vor allem im intra-day-Markt auswirkt) einen großen Einfluss auf die Häufigkeit und das Zusammenfallen negativer Preise in beiden relevanten Strommärkten.

Fazit: Das §24-Risiko wird gedämpft, aber nicht beseitigt

Die im Kabinettsentwurf enthaltene Klarstellung der §24-Regelung dämpft die Risiken für die Windbranche: kurzfristig treten Vergütungsausfälle durch negative Strompreise weniger häufig (bzw. im Zeitverlauf erst später) auf, als dies bisher erwartet wurde. Und auch langfristig gilt: Das Risiko, dass die Strompreise im day-ahead und intra-day-Markt gleichzeitig über mindestens sechs Stunden am Stück negativ sind, ist zwangsläufig geringer, als wenn alleine die Preise des day-ahead-Marktes Auslöser für §24 sind.

Natürlich muss der vorliegende Kabinettsentwurf erst Gesetz werden, damit die beschriebene Risiko-dämpfung eintritt. Dennoch darf das Risiko des §24 für Windprojekte mit Inbetriebnahme ab 01.01.2016 nicht unterschätzt werden – vor allem in seiner langfristigen Auswirkung. So zeigen verschiedene langfristige Strommarktmodellierungen (u.a. von enervis, Energy Brainpool und Fraunhofer ISI) durchweg eine Zunahme von negativen Strompreisen über die kommenden Jahre und Jahrzehnte, wobei die Häufigkeit der Sechs-Stunden-Blöcke in Abhängigkeit der Studien unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Das damit verbundene Erlösrisiko wird durch die geplante Anpassung des §24 nun zwar gedämpft, es wird jedoch keinesfalls irrelevant. Für neue Windparks, die 20 oder mehr Jahre in Betrieb sein werden, ist das Risiko negativer Strompreise während und nach der EEG-Laufzeit daher weiterhin ernst zu nehmen.

Risikomanagementstrategien

Wie können Investoren und Betreiber mit dieser Situation umgehen? Geeignete Risikomanagementstrategien sollten insbesondere folgende Punkte berücksichtigen:

  1. Geeignete Risikoabschläge in Wirtschaftlichkeits-Berechnungen ansetzen:
    Die Erlösrisiken des §24 sollten in den Renditeberechnungen berücksichtigt und durch Variationen in ihrer Wirkung abgeschätzt werden. Grundlage hierfür sollte eine fundierte energiewirtschaftliche Bewertung zukünftiger Strompreisentwicklungen sein. enervis bietet in diesem Rahmen eine neue windspezifische Szenariostudie zur Prognose negativer Preise und der damit verbundenen Erlösverluste bis zum Jahr 2040 an. Die Studie wurde auf Basis neuester Marktdaten (Q1 2016) erstellt und berücksichtigt bereits die hier beschriebenen gesetzlichen Neuerungen. Die Ergebnisse dienen der fundierten Abschätzung des §24-Risikos für Investoren, Finanzierer und Betreiber von Windprojekten.
  2. §24 in vertragliche Regelungen mit Direktvermarktern aufnehmen:
    Hier gilt es, eine angemessene Risikoteilung zwischen Anlagenbetreiber und Direktvermarkter zu finden, die gleichzeitig Vermarktern eine effiziente Gebotsstrategie bzgl. des §24 ermöglicht.
  3. Bewertung von „Versicherungsprodukten“:
    einige Marktakteure bieten mittlerweile Versicherungen an, die Anlagenbetreiber gegenüber Erlösausfällen durch die §24-Regelung absichern. Diese Angebote sind nun im Lichte der geplanten Änderungen des §24 zu bewerten – die Kosten einer Absicherung müssten deutlich sinken.

(Dr. Nicolai Herrmann, Eckhard Kuhnhenne-Krausmann)

->Quellen: