Jährliches Auf und Ab der CO2-Konzentration steigt, weil Pflanzen im Norden durch Erderwärmung besser wachsen
Weltweite Messstationen registrieren den CO2-Anstieg in der Atmosphäre. In hohen nördlichen Breiten ist allerdings noch ein weiterer Trend zu beobachten: Die jahreszeitlichen Schwankungen des Kohlendioxids nahmen bereits seit den 60er Jahren zu. Das liegt vor allem am verstärkten Pflanzenwachstum im Norden, schreiben Forscher vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena (BCG-Jena) zusammen mit Kollegen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und aus den USA in der aktuellen Ausgabe von Science.
Kniffliges Klima-Rätsel gelöst
Die Lösung: Durch die höheren Temperaturen breiten sich mehr Wälder aus, die Photosynthese verstärkt sich. So nimmt die Vegetation im Sommer mehr CO2 auf. Das Team um die Jenaer Forscher hat damit ein kniffliges Klima-Rätsel gelöst. Denn der beobachtete Trend ließ sich mit den gängigen Klimamodellen bislang nicht reproduzieren und somit auch nicht erklären – vermutlich, weil die Modelle bestimmte Prozesse im Wechselspiel zwischen Vegetation und Klima nicht genau genug abbilden.
Seit 1958 dokumentieren Messungen am Vulkan Mauna Loa auf Hawaii, wie der CO2-Gehalt der Atmosphäre von Jahr zu Jahr ansteigt. Ursprünglich lag er bei 315 Teilen pro Million (ppm – parts per million), mittlerweile ist er auf gut 400 ppm geklettert. Die berühmte Mauna-Loa-Kurve („Keeling-Kurve“) steigt allerdings nicht gleichförmig an, sondern schwingt im Verlauf des Jahres auf und ab. Jeweils am Ende des Frühjahrs klettert der Wert auf einen neuen Höchststand. Das liegt daran, dass im Winter auf der Nordhemisphäre nur wenig Photosynthese stattfindet. Die Vegetation saugt somit monatelang kaum CO2 aus der Luft, die menschlichen Emissionen reichern sich an. Zusätzlich geben Pflanzen und Böden einen Teil des zuvor aufgenommenen CO2 durch die Atmung, bei der Kohlehydrate abgebaut werden, wieder an die Atmosphäre ab.
Mehrere Hypothesen zu verstärkten CO2-Schwankungen
„Im September fällt der CO2-Gehalt dann auf ein Minimum, weil die Vegetation auf der Nordhalbkugel den ganzen Sommer über Kohlendioxid aus der Luft aufnimmt“, erläutert Matthias Forkel, der kürzlich vom BCG-Jena zur Technischen Universität Wien gewechselt ist. Zusammen mit Nuno Carvalhais vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie war er Hauptautor der Studie.
Die jahreszeitliche CO2-Schwankung betrug auf Hawaii Anfang der 60er-Jahre noch 6s ppm, inzwischen ist sie auf etwa 7 ppm angestiegen. In nördlichen Regionen war der Anstieg noch größer. So schwankten die jährlichen CO2-Werte in Barrow in Alaska Anfang der 60er-Jahre um 15 ppm, mittlerweile liegt der Unterschied bei 18 ppm – eine Zunahme um fast 25 Prozent. Mit Hilfe von Flugzeugmessungen belegte ein Team um die britische Forscherin Heather Graven 2013, dass diese Veränderungen in nördlichen Breiten auch in etwa sechs Kilometern Höhe weiträumig auftreten.
Eine Erklärung für den Trend lieferten Graven und ihre Kollegen in ihrer Science-Veröffentlichung damals allerdings nicht. Denn in Klimamodellen trat die Zunahme nicht auf. „Es gab daher mehrere Hypothesen dazu, warum die Amplitude der Schwankung zunimmt“, sagt Markus Reichstein, Direktor am BCG-Jena und Co-Autor der neuen Studie. Viele Forscher vermuteten schon damals, dass das Phänomen mit dem beobachteten Ergrünen der Arktis zu tun hat. Manche machten aber auch die intensivere Landwirtschaft mit ihren höheren Erträgen verantwortlich. Andere hielten einen Düngungseffekt durch CO2 für die Ursache.
Folgt: Höhere Temperaturen lassen Pflanzen im Norden stärker sprießen