Höhere Temperaturen lassen Pflanzen im Norden stärker sprießen
Die Jenaer Forscher wollten die Frage nun dadurch klären, dass sie Beobachtungen mit Modellrechnungen kombinierten. „Wir haben unser in Jena, Potsdam und Lund entwickeltes Vegetationsmodell anhand von Satellitendaten der letzten 30 Jahre verbessert und konnten so den Trend in der CO2-Amplitude korrekt simulieren“, sagt Forkel.
Wie sie in Science berichten, ist demnach vor allem der Klimawandel für die größere CO2-Amplitude verantwortlich: Die höheren Temperaturen lassen die Pflanzen nördlich des 45. Breitengrades stärker sprießen als früher. Die borealen Wälder breiten sich immer weiter aus. Büsche und Sträucher besiedeln die einstmals karge Tundra, und die Vegetationsperiode beginnt insgesamt früher im Jahr. All das führt dazu, dass im Sommer mehr CO2 aus der Atmosphäre verschwindet als noch vor 50 Jahren. „Die Atmung der Pflanzen und Böden hat dagegen nicht im gleichen Maße zugenommen“, sagt Matthias Forkel. Somit ist der Unterschied zwischen Sommer und Winter größer geworden.
Verstärker für eine atmosphärische Pendelbewegung: Weil sich boreale*) Wälder wie hier in Sibirien aufgrund der Erderwärmung immer weiter ausbreiten und die Vegetation in hohen Breiten mehr Photosynthese betreibt, nehmen die jahreszeitlichen Schwankungen im Kohlendioxid-Gehalt der Luft vor allem im Norden zu.
Riesige Rückkopplungseffekte zwischen Klima und Vegetation
Die Forscher fanden zudem heraus, dass das Pflanzenwachstum im Norden kaum dadurch beeinflusst wird, dass den Pflanzen mehr CO2 zur Verfügung steht. „Die CO2-Düngung spielt in hohen Breiten kaum eine Rolle“, berichtet Markus Reichstein. Ein weiteres Ergebnis: Die Landwirtschaft trägt bei weitem nicht so stark zur Erhöhung der saisonalen CO2-Schwankung bei wie andere Forscher es zuvor berechnet hatten.
„Man sieht ganz klar, dass es riesige Rückkopplungseffekte zwischen Klima und Vegetation gibt“, so das Fazit von Markus Reichstein. Das Vegetationsmodell, das maßgeblich am PIK entwickelt und am BCG-Jena anhand von Beobachtungen getestet wird, beschreibe diese komplizierten Zusammenhänge genauer als die gängigen Erdsystemmodelle. Es erfasst zum Beispiel besser, dass die Pflanzen früher austreiben, wenn die Temperaturen zunehmen oder dass der Vegetation in Permafrostgebieten mehr Wasser zur Verfügung steht, wenn es wärmer wird.
Ob die Zunahme der saisonalen CO2-Schwankungen auch in Zukunft anhält und welche Rückwirkung dies auf die globale Erwärmung hat, lässt sich aus der Studie hingegen nicht schließen. Die Ausbreitung der Wälder im Norden hat wahrscheinlich auch negative Folgen für den Klimawandel, so Forkel: „Die Landoberfläche verdunkelt sich und absorbiert einen größeren Teil der einfallenden Sonnenstrahlung. Sie erwärmt sich also stärker als früher.“ Das könnte wiederum dazu führen, dass sich in Zukunft Waldbrände und Dürren häufen oder vermehrt schädliche Insekten ausbreiten. Ob der Trend zum grüneren Norden weiter anhält, ist daher unklar.
->Quellen:
- Artikel: Matthias Forkel, Nuno Carvalhais, Christian Rödenbeck, Ralph Keeling, Martin Heimann, Kirsten Thonicke, Sönke Zaehle und Markus Reichstein: Enhanced seasonal CO2 exchange caused by amplified plant productivity in northern ecosystems; Science, 21. Januar 2016 – DOI: 10.1126/science.aac4971
- bgc-jena.mpg.de/1453395788
- mpg.de/co2-schwankung-vegetation-erderwaermung