Kommentar von Claudia Kemfert
Mit freundlicher Genehmigung
Die Energiewende sei teuer – viel zu teuer: Sie koste die deutsche Volkswirtschaft 24 Milliarden Euro im Jahr, der Strompreis explodiere nur wegen der Energiewende, so die einhellige Meinung. Was die Gespensterdebatte um angebliche Kosten und Strompreise vornehmlich verschweigt: Bei den genannten 24 Milliarden Euro handelt es sich nicht um Kosten im klassischen Sinne, sondern um Investitionen, die in der deutschen Volkswirtschaft Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen.
[note Prof. Dr. Claudia Kemfert ist Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW Berlin.
Der Beitrag gibt die Meinung der Autorin wieder.]
Das Bundeswirtschaftsministerium schließt sich leider auch dieses Mal dieser hysterischen Debatte an – will die Einspeisevergütung für erneuerbare Energien so schnell wie möglich abschaffen und durch Ausschreibungen ersetzen. Derartige Ausschreibungen sollen den Preis für Erneuerbare Energien und somit auch die Kosten senken, so die Meinung im Ministerium. In anderen Ländern hat sich dies allerdings nicht bewahrheitet, im Gegenteil.
Der Strompreis ist ohnehin kein Kosten-Indikator, er wird durch viele Faktoren beeinflusst. Die Strom-Börsenpreise, die immerhin ein Fünftel des Endkundenpreises ausmachen, sind sehr niedrig, sie werden jedoch nur selten an die Stromkunden weitergegeben. Der Strompreis steigt vor allem deswegen, weil der Kohle-Lobby Subventionsgeschenke in Milliardenhöhe gemacht wurden. Die wahren Energiekosten–Tsunamis entstehen ohnehin woanders: durch Altlasten der Atomenergie, Umweltverschmutzung und den Klimawandel. Auch ein atom- und kohlebasiertes Energiesystem wurde über Jahrzehnte mit sehr hohen Beträgen subventioniert, die sich schnell im dreistelligen Milliardenbereich summieren. Und die Schlussrechnung ist noch offen, die hohen Kosten des Rückbaus und der Endlagerung stehen noch an. Hätte man in der Vergangenheit diese Kosten auf die Strompreise überwälzt – wie man es derzeit bei den Investitionen in den Umbau des Energiesystems tut –, dann wäre der Strompreis wirklich explodiert.
Energiewende hat Energiekosten bereits um circa 15 Milliarden gesenkt
Durch die Energiewende werden weniger fossile Energien importiert, dies hat die Energiekosten im letzten Jahr um circa 15 Milliarden Euro gesenkt. Wenn man auf konsequentes Energiesparen setzen würde, würden sich die „Kosten“ der Energiewende schlagartig um weitere Milliarden vermindern. Es gibt nämlich zwei Komponenten der Energiekosten: den Preis und den Verbrauch. Je niedriger Preis und/oder Verbrauch, desto geringer die Energiekosten.
Der niedrige Ölpreis verschafft der Wirtschaft eine Atempause und führt derzeit schon zu einer Senkung der Energiekosten von über zwölf Milliarden Euro jährlich. Der Kampf ums Öl, um Macht und Marktanteile, führt zu einem Ausverkauf von Öl. Jedes ölexportierende Land fördert Öl bis zum Anschlag, was ein deutliches Überangebot und sinkende Preise zur Folge hat. Niedrige Ölpreise verleiten zu Verschwendung, notwendige Energieeffizienz-Investitionen im Gebäudebereich wie energetische Gebäudesanierung oder im Bereich nachhaltige Mobilität werden unattraktiv.
Der niedrige Ölpreis ist für die Energiewende hinderlich. Der Umstieg auf nachhaltige Mobilität, erneuerbare Energien und mehr Energiesparen droht verschoben zu werden. Das verteuert den Prozess maßgeblich. Fossile Energien sind aufgrund ihrer Begrenztheit und Klimaschädlichkeit mittelbis langfristig keine Option. Der Umstieg braucht Zeit, daher sind heutige Investitionen elementar. Die heutigen Investitionen sind Investitionen in die Zukunft. Je länger wir sie verschieben, desto teurer wird es tatsächlich. Nicht die Energiewende an sich ist teuer, sondern eine hysterische Kosten-Strompreis-Debatte macht sie teuer: Abrupte Änderungen in der Energiepolitik gefährden den Erfolg, sind ineffizient und teuer. Eine kluge Energiewende schafft hingegen eine langfristig nachhaltige Energieversorgung.
->Quelle: diw.de/16-3-3.pdf