Widerstandslose Fußbälle

Fullerid K3C60, Metall aus 60 Kohlenstoff-Atomen

Das Team um Cavalleri fragte sich daher, ob Licht auch den elektrischen Widerstand von herkömmlichen Supraleitern brechen kann, deren Physik wesentlich besser verstanden ist. Tatsächlich wurden Forscher um Daniele Nicoletti und Matteo Mitrano vom Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie jetzt fündig, und zwar bei einem Stoff, der sich von Kupraten stark unterscheidet: dem Fullerid K3C60, einem Metall, das sich aus sogenannten Buckminster-Fullerenen zusammensetzt. Diese Hohlmoleküle bestehen aus 60 Kohlenstoff-Atomen, die sich zu einer Form ähnlich der eines Fußballs verbinden: eine Kugel aus zusammengesetzten Fünf- und Sechsecken. Negativ geladene Fullerene kleben durch zwischengelagerte positive Kalium-Ionen, die sozusagen wie Kitt wirken, zu einem Festkörper zusammen. Dieses sogenannte Alkali-Fullerid hat die Eigenschaften eines supraleitenden Metalls mit einer Sprungtemperatur von rund minus 250 Grad Celsius. Mit dieser Temperatur geben Physiker an, wo die Supraleitung sprunghaft einsetzt.

Eine der höchsten Sprungtemperaturen außerhalb der Kuprate

Die Forscher sendeten nun bei verschiedenen Temperaturen, zwischen der Sprungtemperatur und Raumtemperatur, infrarote Lichtpulse von nur wenigen milliardstel Mikrosekunden Dauer auf das Alkali-Fullerid. Sie stellten die Frequenz der Lichtwelle so ein, dass sie die Fullerene zu Vibrationen anregten. Dabei schwingen die Kohlenstoffatome so, dass sich die Fünfecke des Fußballs ausdehnen und zusammenziehen. Diese Änderung der Struktur, so die Hoffnung, könnte ähnlich wie beim Kuprat auch bei hohen Temperaturen eine kurzzeitige Supraleitung erzeugen.

Um dies zu testen, sendeten die Forscher gleichzeitig zum Infrarot-Puls einen zweiten Lichtpuls auf die Probe, allerdings mit einer Frequenz im Terahertzbereich. Wie stark dieser Puls reflektiert wird, verrät den Forschern die Leitfähigkeit des Materials, also wie leicht sich Elektronen durch das Alkali-Fullerid bewegen. Dabei zeigte sich eine sehr hohe Leitfähigkeit. „Wir haben Supraleitung möglicherweise bis hinauf zu Temperaturen von mindestens minus 170 Grad Celsius induziert“, sagt Daniele Nicoletti. Somit würde das Hamburger Experiment eine der höchsten je beobachteten Sprungtemperaturen außerhalb der Materialklasse der Kuprate zeigen.

„Wir planen nun weitere Experimente, die uns zu einem tieferen Verständnis der Vorgänge führen sollen“, so Nicoletti. Als Nächstes wollen sie während der Anregung durch das Infrarotlicht die Kristallstruktur analysieren. Dies soll ähnlich wie zuvor beim Kuprat zu einer Erklärung des Phänomens beitragen. Dann wollen die Forscher wesentlich länger andauernde Lichtblitze auf das Material senden. „Das ist zwar technisch anspruchsvoll, könnte die Lebensdauer der Supraleitung aber so weit verlängern, dass es für Anwendungen interessant wird“, schließt Nicoletti. (CJM)

[note Physiker um Yvo Drees vom Max-Planck-Institut für chemische Physik fester Stoffe in Dresden haben im Dezember 2014 die mikroskopische Ladungsverteilung in Kobaltoxid, einem Material mit ähnlichen magnetischen Eigenschaften wie ein Hochtemperatur-Supraleiter, untersucht und nanometergroße ladungsfreie Zonen entdeckt. Diese Erkenntnis helfe dabei, so das Team in der Zeitschrift Nature Communications, die Hochtemperatur-Supraleitung besser zu verstehen.]

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