Mit den ersten sichtbaren Attosekunden-Blitzen lässt sich die Verzögerung bestimmen, mit der Elektronen in Atomen auf die elektromagnetischen Kräfte des Lichtes ansprechen
Licht könnte der Motor sein, der Elektronik künftig noch schneller macht. So verfolgen Physiker etwa das Ziel, mit kurzen Lichtpulsen elektrische Ströme in Schaltkreisen zu steuern, und zwar im Takt der Lichtfrequenz. Erkenntnisse zur Attophysik, die ein internationales Team um Eleftherios Goulielmakis, Leiter der Forschungsgruppe Attoelectronics am Max-Planck-Institut für Quantenoptik, gewonnen hat, dürften es ermöglichen, Elektronen mit Licht künftig genauer zu kontrollieren als bislang.
Denn Elektronen folgen den elektromagnetischen Kräften des Lichts offenbar mit einer kleinen Verzögerung. Die Reaktionszeit der Elektronen auf Licht bestimmten die Forscher, indem sie Elektronen in Krypton-Atomen mit Attosekunden-Pulsen sichtbaren Lichts anregten. Dabei beobachteten sie, dass es ungefähr 100 Attosekunden (eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer milliardstel Sekunde) dauert, bis sich die Reaktion der Teilchen auf die Lichtpulse bemerkbar macht. Bislang mussten Physiker davon ausgehen, dass die Kraft des Lichts unmittelbar Wirkung zeigt, weil sie die Verzögerung nicht messen konnten.
27 Nullen hinterm Komma
Ein Elektron wiegt fast nichts. Um seine Masse in Gramm auszudrücken, muss man hinterm Komma man 27 Nullen aneinanderreihen, ehe die erste Ziffer erscheint. Trotzdem ist selbst dieses Leichtgewicht träge, zumindest ein bisschen. Nach den Vorhersagen der Quantenmechanik benötigt auch ein Elektron eine bestimmte, wenn auch sehr kurze Zeitspanne, um auf die Kräfte von Licht zu reagieren. Da das aber nur einige 10 oder 100 Attosekunden dauert, galt dieser Prozess als unmessbar schnell – bis jetzt. Denn Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik haben gemeinsam mit Kollegen der Texas A&M University (USA) und der Staatlichen Lomonossow Universität Moskau (Russland) diese Reaktionszeit nun erstmals gewissermaßen gestoppt.
“Unsere Untersuchung setzt somit einen Schlussstrich unter die Jahrzehnte währende Debatte über die fundamentale Dynamik der Licht-Materie-Wechselwirkung“, sagt Eleftherios Goulielmakis. In den letzten Dekaden seien Forscher bereits in der Lage gewesen, sowohl die Drehbewegungen als auch die Kernbewegungen in Molekülen zu verfolgen. „Jetzt können wir erstmals auch die Reaktion der in den Atomen gebundenen Elektronen in Echtzeit verfolgen“, betont Goulielmakis. „Aber gleichzeitig stehen wir am Beginn einer neuen Epoche, in der wir Materie über die Beeinflussung von Elektronen untersuchen und manipulieren werden.“ In der aktuellen Arbeit präsentieren die Forscher nämlich nicht nur die ersten Messungen, wie lange ein Elektron braucht, um auf einen Lichtpuls anzusprechen. Sie stellen auch das Mittel vor, das diese Messung erst möglich macht und künftig völlig neue Experimente mit Elektronen erlaubt: eine Möglichkeit, Blitze sichtbaren Lichts maßzuschneidern.
Folgt: Aus Licht verschiedener Wellenlängen entstehen sichtbare Attosekunden-Blitze