Meeresspiegelanstieg in Vergangenheit und Zukunft: Robuste Abschätzungen für Küstenplaner
Der Meeresspiegel wird bis 2100 weltweit wahrscheinlich um 50 bis 130 Zentimeter ansteigen, wenn der Treibhausgas-Ausstoß nicht entscheidend gesenkt wird. Das belegt eine Studie, die erstmals die zwei wichtigsten Abschätzungs-Methoden zum Meeresspiegelanstiegs kombiniert und zu einer robusteren Risikoabschätzung kommt. Eine zweite Studie, ebenfalls in den US Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht, untersucht erstmals Daten zum Meeresspiegelanstieg der letzten 3000 Jahre. Das Papier bestätigt, dass der Meeresspiegel in den vergangenen Jahrtausenden nie schneller angestiegen ist als im vergangenen Jahrhundert. Zusammen liefern die beiden Studien wichtige Informationen für Küstenplaner. Als Werkzeug für Experten machen die Autoren ihre Daten zum zukünftigen Anstieg des Meeresspiegels online frei verfügbar.
„Mit all den bereits emittierten Treibhausgasen in der Atmosphäre können wir den Meeresspiegelanstieg zwar nicht mehr verhindern, aber durch das Beenden der Nutzung fossiler Brennstoffe noch deutlich begrenzen“, sagt Anders Levermann, Forschungsbereichsleiter für Anpassung am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Wissenschaftler an der New Yorker Columbia-Universität/Lamont-Doherty Earth Observatory und Ko-Autor der Studie zum künftigen Meeresspiegelanstieg. „Wir wollen Küstenplanern die notwendigen Hintergrundinformationen geben für ihre Anpassungsplanung, die vom Deichbau über Versicherungskonzepte für Überflutungen bis hin zu langfristigen Siedlungsentwicklungen reichen können.“
Anpassung auch nach Paris-Abkommen Herausforderung
Die Wissenschaftler machen den Code ihrer Computersimulationen online verfügbar, damit Experten diese Informationen für Risikoabschätzungen nutzen können. Auch bei einer ambitionierten Klimapolitik, die dem Pariser Klimaabkommen von 2015 folgt, wäre mit einem Meeresspiegelanstieg von 20-60 Zentimetern bis 2100 zu rechnen – daher die Bedeutung für den Küstenschutz. „Schon ein solcher verminderter Anstieg wäre eine ziemliche Herausforderung, aber weniger teuer als die Anpassung an ungebremsten Meeresspiegelanstieg, die in manchen Regionen der Welt sogar völlig unmöglich sein würde“, so Levermann. „Wenn die Welt die größten Verluste und Schäden vermeiden möchte, müssen wir jetzt rasch dem Pfad folgen, auf den sich die UN-Klimakonferenz in Paris vor einigen Wochen geeinigt hat.“
Für den künftigen Meeresspiegelanstieg haben die Wissenschaftler zwei Ansätze kombiniert. Um den Anstieg abschätzen zu können, nutzen sie prozessbasierte Computersimulationen, die den Beitrag schmelzender Gletscher, den Masseverlust der Eisschilde und die thermische Expansion des Meerwassers errechnen – wärmeres Wasser nimmt gemäß den physikalischen Gesetzen mehr Platz ein. Diese Simulationen sind sehr zeitaufwändig. Als Alternative wurden bislang auch statistische Analysen verwendet, die leichter und schneller zu erstellen sind. „Unser Werkzeug ist so konzipiert, dass es sowohl zu den Beobachtungen der Vergangenheit als auch zu den langfristigen physikalischen Prozessen der verschiedenen Elemente des Erdsystems passt“, sagt Leitautor Matthias Mengel vom PIK. „Vor allem aber ist unsere Berechnungsmethode schnell und leicht reproduzierbar, so dass viele Simulationsdurchläufe möglich sind, um die Wahrscheinlichkeiten des Meeresspiegelanstiegs zu errechnen.“
Folgt: Meeresspiegelanstieg künftig keine einzelne Zahl sondern Spanne