Uwe Leprich im Solarify-Selbst-Gespräch
Prof. Uwe Leprich, Leiter des Instituts für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) an der Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlandes, sieht im Solarify-Selbst-Gespräch die Kohlewirtschaft als eindeutige Verliererin der Energiewende – das Zögern der Bundesregierung bei ihrer Durchsetzung bedeutet allerdings „nur eine kleine Verschnaufpause“. Er entlarvt die verharmlosende und verräterische Sprache, die einmal von der „friedlichen Nutzung der Kernenergie“ sprach und jetzt in den Erneuerbaren Energien unreife Heranwachsende sieht. Wer in diesem Zusammenhang immer noch von „Subventionierung“ spreche, habe nicht gemerkt, dass es sich um schlichte Finanzierungen handelt. Er fordert, sich endlich von der „geradezu religiösen Verehrung von Märkten zu verabschieden“.
… also wenn Sie mich fragen: Warum wird die Energiewende in Deutschland seit einiger Zeit eigentlich eingebremst?
Man muss nüchtern konstatieren, dass die Energiewende nicht nur Gewinner hat, sondern auch Verlierer. Hauptverlierer sind die Kohlewirtschaft und hier in erster Linie die Kohlekraftwerksbetreiber. Jeder weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung verschlechtert deren Geschäftsmodell, wie sich an den seit Jahren sinkenden Börsenpreisen ablesen lässt. An diesem Geschäftsmodell hängen jedoch nicht nur die großen Energiekonzerne, sondern auch zahlreiche Stadtwerke und Kommunen, die in der Summe erheblichen politischen Einfluss nehmen können. Ein Einbremsen der Energiewende, wie es aktuell beim Ausbau der Erneuerbaren und der Kraft-Wärme-Kopplung zu beobachten ist, bedeutet daher eine Verlängerung des Geschäftsmodells von Kohlekraftwerken und damit eine Beruhigungspille für die schon arg gebeutelte alte Energiewirtschaft und die mit ihnen verbundenen Gewerkschaften. Gleichwohl wissen alle Beteiligten, dass damit bestenfalls eine kleine Verschnaufpause für den unaufhaltsamen Strukturwandel gewonnen wird. Warum allerdings im letzten Jahr der Bundeswirtschaftsminister mit der so genannten Sicherheitsbereitschaft für Braunkohlekraftwerke so vollständig vor der Braunkohlelobby kapituliert hat und auch nach dem Pariser Klimagipfel daran festhält, erschließt sich mir bis heute nicht.
Ist es nicht an der Zeit, dass die Erneuerbaren „erwachsen“ werden, muss diese Dauersubventionierung nicht langsam mal aufhören?!
Es ist viel zu wenigen bewusst, dass mit Sprache immer schon massiv Energiepolitik betrieben wurde. So sprach man lange Zeit von der „friedlichen Nutzung der Kernenergie“, um die realen Gefahren eines Atomunfalls semantisch zu verkleistern. Nun also die adoleszierenden, unreifen erneuerbaren Energien, die sich endlich an den „erwachsenen“ Kraftwerken, sprich: den Kohle- und Atomkraftwerken, ein Beispiel nehmen sollen nach dem Motto: Kraftwerke müssen steuerbar sein und möglichst rund um die Uhr laufen, damit die „Grundlast“ abgedeckt wird. Wer in dieser Gedankenwelt heimisch ist, der wird den Sprung in die Welt von Wind- und Solaranlagen nicht mehr schaffen und sich kein System vorstellen können, in dem „erwachsene“ Wind- und Solaranlagen von flexiblen KWK-Anlagen, Lastmanagement und Speichern flankiert werden und in dem die Versorgungssicherheit keineswegs gefährdet ist. Und wer bei den Erneuerbaren von Subventionierung spricht, der würde auch davon sprechen, dass Kläranlagen „subventioniert“ werden, um die Sauberkeit von Trinkwasser zu garantieren. Sachlich handelt es sich in beiden Fällen natürlich schlicht um eine Finanzierung, und der Streit ist dann lediglich darüber zu führen, welches Finanzierungsmodell das Beste ist. Jeder, der einer Beendigung der vermeintlichen „Subventionierung“ das Wort redet, will in Wirklichkeit den Ausbau der Erneuerbaren beenden.
Sollte man bei der Gestaltung des künftigen Energiesystems nicht stärker auf Märkte setzen, als mit immer neuen Regulierungen Verunsicherungen zu schaffen?
Ich kenne nur eine überschaubare Anzahl von Akteuren, die aus lauteren Motiven heraus im Energiesektor „mehr Markt“ fordern, und die halte ich für ein wenig naiv. Fakt ist doch, dass es „den“ Markt ohnehin nicht gibt, sondern dass im Zuge der Liberalisierung unterschiedliche Designs für wohldefinierte Teilmärkte eines komplexen Energiesektors entwickelt wurden (z.B. für die Großhandels- und die Regelenergiemärkte), aber auch Regulierungs-Designs für andere Teilsektoren (z.B. für die Netzregulierung oder den Ausstiegspfad aus der Atomenergie). Kurzum: es kommt mehr denn je auf einen intelligenten Mix von wettbewerblichen und regulatorischen Designs an, ohne das eine gegen das andere auszuspielen. Und es wäre nachgerade absurd zu meinen, dass die für fossile und nukleare steuerbare Großkraftwerke entwickelten Teilmärkte eins zu eins für dargebotsabhängige fluktuierende erneuerbare Energieanlagen übernommen werden könnten. Möglicherweise wird die Rolle von Märkten als Mittel zum Zweck sogar künftig wieder abnehmen, wenn die Klimaschutzziele auch und gerade im Stromsektor eingehalten werden sollen. Ohnehin erscheint es hohe Zeit, sich von der geradezu religiösen Verehrung von Märkten zu verabschieden und die Ökonomie als Gesellschaftswissenschaft zu rekonstruieren.
Prof. Dr. Uwe Leprich, promovierter Volkswirt und Hochschullehrer an der Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlandes, gründete 1999 zusammen mit anderen Kollegen das Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES), in dessen wissenschaftlicher Leitung er seit 2008 tätig ist. Zum 1. April 2016 wechselt er zum Umweltbundesamt und übernimmt dort die Leitung der Abteilung Klimaschutz und Energie. Er war u.a. Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission des 14. Deutschen Bundestages „Nachhaltige Energieversorgung“ (2001-2002) und in den letzten 25 Jahren vielfach gutachterlich tätig für das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium. Zudem ist er Autor zahlreicher Fachartikel und präsent in allen Medien. Seine: Spezialgebiete: Liberalisierungsanforderungen der Energiemärkte; Instrumente nationaler und internationaler Energie- und Klimapolitik; Dienstleistungsansätze für Akteure in liberalisierten Energiemärkten.