Beispiel Künstliche Fotosynthese: Wie kommen neue Technologien frühzeitig in die öffentliche Diskussion?
Die Künstliche Fotosynthese könnte zu einer der wichtigsten regenerativen Energiequellen werden. Doch wie reagiert die Bevölkerung darauf und auf den möglichen Einsatz von Schwermetall-Katalysatoren und Gentechnik? Eine Publikation der Reihe „IMPULS“ von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften beschreibt jetzt mögliche Zukunftsszenarien und Methoden der Technikkommunikation.
Nach dem Vorbild der Pflanzen erforschen Wissenschaftler Verfahren, die Sonnenlicht in Energieträger oder Rohstoffe umwandeln und die Vision einer Künstlichen Fotosynthese greifbar machen. Doch welche Methoden würden die Bürgerinnen und Bürger akzeptieren – und wie lässt sich die öffentliche Diskussion frühzeitig beginnen?
Trotz Erneuerbarer Energien sind wir noch immer von Erdöl, Kohle und Erdgas abhängig. Entstanden sind diese fossilen Brennstoffe über Jahrmillionen: Pflanzen speicherten Sonnenenergie mittels Fotosynthese. Sonnenlicht ist die ultimative erneuerbare Ressource. Die Sonne spendet 15.000mal mehr Energie als die Menschheit verbraucht. Ein Stunde Sonnenlicht würde genügen, um den weltweiten Jahresbedarf an Energie zu decken. Warum also nicht einfach Mutter Natur kopieren und mittels Künstlicher Fotosynthese diese unermessliche Energiequelle nutzen?
Wollen wir neue Technologien?
Bis das im großen Stil funktioniert, ist noch viel Arbeit nötig. Forscher auf der ganzen Welt versuchen derzeit, aus Kohlendioxid, Wasser und Licht Treibstoffe herzustellen. Anders als bei fossiler Energie werden bei ihrer Verbrennung keine zusätzlichen CO2-Emissionen frei. Künstliche Fotosynthese kann aber auch komplexe Moleküle für Chemierohstoffe, Lebensmittel und Futtermittel liefern.
Mit neuen Technologien gehen aber auch immer Risiken einher. Wollen wir uns dieser Herausforderung stellen? Vermag Künstliche Fotosynthese einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten? Bleibt die Technik reichen Staaten vorbehalten oder könnte auch arme Haushalte in Entwicklungsländern profitieren?
Es ist ein Paradox: Technologien lassen sich im frühen Stadium gut an gesellschaftliche Ansprüche anpassen – werden aber dann noch wenig wahrgenommen und diskutiert. Eine Projektgruppe von acatech ist am Beispiel der Künstlichen Fotosynthese der Frage nachgegangen, wie eine frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit gelingen kann:. Innovative Formate für den frühzeitigen Dialog wurden dazu einem Praxistest unterzogen. In der nun veröffentlichten Publikation der Reihe „IMPULS“ beschreibt die Akademie Zukunftsszenarien der Künstlichen Fotosynthese und dokumentiert Erfahrungen mit Dialogformaten.
Können es die Menschen den Pflanzen gleichtun?
Was Pflanzen seit vielen Milliarden Jahren können, versuchen Forscher derzeit nachzuahmen – sie verfolgen dabei unterschiedliche, vielversprechende Ansätze. Algen könnten biotechnologisch so verändert werden, dass sie die begehrten Kohlenwasserstoffe freisetzen. Ein anderer Ansatz ist Umwandlung von Kohlendioxid mit Hilfe von Katalysatoren, wie sie in der Chemie eingesetzt werden. Noch ist nicht absehbar, welcher Ansatz sich durchsetzen wird – oder ob ein ganz neuer, bisher unbekannter gefunden wird. Mit alltagstauglichen, wirtschaftlichen Anwendungen rechnen Forscher frühestens in 20 bis 30 Jahren.
Nanotechnologie, Gentechnik, neue Materialien – wie reagiert die Bevölkerung?
Möglichst früh sollte jedoch die öffentliche Debatte geführt werden, ob beispielsweise der Einsatz von Gentechnik, Nanotechnologien oder Schwermetallkatalysatoren von der Gesellschaft akzeptiert wird. Um die Szenarien der Künstlichen Fotosynthese greifbar zu machen, entwickelte die Projektgruppe um Alfred Pühler (Universität Bielefeld) und Armin Grunwald (Karlsruher Institut für Technologie, KIT) unterschiedliche Technikzukünfte. Die Projektgruppe sammelte internationale Expertisen zum Dialog über Technikzukünfte und experimentierte mit innovativen Wegen der Information und Diskussion. Denn für einen frühzeitigen Dialog müssen abstrakte Forschungsergebnisse in greifbare Geschichten gefasst werden – wenn etwa aus Mikroalgen grüne Zellfabriken oder Gebäudefassaden mit transparenten, organischen Solarzellen beschichtet werden. acatech hat im Zuge des Projekts unter anderem zu Science Cafés oder einem Comic-Workshop geladen. Der Wissenschaftsjournalist Wolfgang C. Goede erzählt auf youtube Technikzukünfte der Künstlichen Fotosynthese mit den Mitteln des Story-Tellings.
Folgeprojekt: Forschungsbedarf – Künstliche Fotosynthese 2050
Ein gemeinsames Projekt der Wissenschaftsakademien widmet sich nun dem Stand der Forschung. Das Projekt „Künstliche Fotosynthese: Forschungsstand, wissenschaftlich-technische Herausforderungen und Technikzukünfte“ untersucht bestehende Forschungsansätze. Unter der Leitung des Chemikers Matthias Beller (Leibniz-Institut für Katalyse, Rostock) soll der konkrete Forschungsbedarf in Deutschland aufgezeigt werden, um bis zum Jahr 2050 konkrete Anwendungen der Künstlichen Fotosynthese zu ermöglichen.