Ganz unten

Unser Erbe: Das letzte Kapitel der Atomwirtschaft

mit freundlicher Genehmigung von Alexandra Hildebrandt –

Als der 2015 verstorbene schwedische Bestsellerautor Henning Mankell noch mit seiner Krebserkrankung lebte, schien es ihm, als hätte er neue und unerwartete Einsichten darüber gewonnen, wie wir mit dem nuklearen Abfall umgehen. Was zurückbleiben wird nach dem Untergang unserer Gesellschaft und Zivilisation, sind unterirdische Mülldeponien.

Ob der in Felsen eingeschlossene Atommüll irgendwann ungefährlich sein wird, weiß heute niemand. Und vermutlich werden auch unsere Nachfahren nicht wissen, welcher gefährliche radioaktive Abfall unter ihnen liegt. Dass sich an den Felswänden Warnungen befinden, die ihnen mitteilen, dass sie sich vor den Kupferbehältern in Acht nehmen sollen, ist ebenso ungewiss.

Mankells letzte Buch „Treibsand“ (Zsolany Verlag) ist zugleich sein Vermächtnis, in dem er sich unserer wichtigsten Aufgabe widmet: „den Menschen, die vielleicht nach uns kommen werden, wenn zukünftige Eiszeiten zu Ende gegangen sind, eine Warnung zu schicken.“ Denn – zumindest in Schweden – muss in siebzig Jahren das „Problem“ dieser Warnung gelöst sein. Dann sollen die Felskammern für immer verschlossen werden.

Entsorgung mit Methode

Dass auch deutsche Stromkonzerne darin erfahren sind, teuren Abfall ganz unten billig zu entsorgen, zeigt sich in diesen Tagen in besonderer Weise: Nach Angaben der Süddeutschen Zeitung verschwanden tausende Fässer mit Atommüll zu einem „Spottpreis“ in den Sechziger- und Siebzigerjahren im Salzbergwerk Asse. Das „Endlager“ ist heute ein Sanierungsfall, der mehr als fünf Milliarden Euro kosten wird: „Bezahlt wird das vom Steuerzahler – ähnlich wie beim DDR-Endlager Morsleben, das nach der Wende auch westdeutsche Atomkraftbetreiber eifrig nutzten. Sie kamen mit 85 Millionen Euro davon. Die Gesamtkosten des Endlagers schätzen Behörden auf das 27-fache.“

Für SZ-Autor Michael Bauchmüller sieht es so aus, als würde sich jetzt alles wiederholen. So verhandelt eine Kommission darüber, wie sich Mittel für den Rückbau der Atomkraftwerke (RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall) und die Endlagerung der verstrahlten Hinterlassenschaften sichern lassen. Laut Atomgesetz sind die Betreiber verpflichtet, den Abriss der Meiler und die Entsorgung des Atommülls  selbst zu bezahlen. Seine Kritik ist berechtigt, denn es wird nur darüber beraten, „zu welchem Preis sich die Betreiber aus der Verantwortung stehlen, Pardon, ihrer Haftung entledigen können.“ (Profit und Verantwortung, in: Süddeutsche Zeitung, 25.2.2016)

Das Erbe und die Erben

Gewiss, es ist ein trauriges Erbe, das uns Publizisten wie Henning Mankell oder Roger Willemsen hinterlassen haben, die ihrer Krebserkrankung erlegen waren und sich in der letzten Zeit vor ihrem Tod nur noch mit Fragen der Dringlichkeit beschäftigten. Dieses Erbe weist uns jedoch den Weg: nach innen, also dorthin, wo wir noch etwas verändern können – in unserem Bewusstsein.

So beschäftigten Roger Willemsen, der von einer inneren Zwanghaftigkeit getrieben wurde, die blinde Flecken in der Beobachtung der Welt, ihres ökologischen und des gesamten Zustandes, aber auch des Bewusstseinszustandes (THADEUSZ, RBB, 11.8.2015). Er wollte mehr informieren statt unterhalten und sich nur Dingen widmen, die wirklich notwendig sind.

Niemand kann nun seine Frage beantworten außer wir – innerhalb der Frist, die uns gegeben ist: „Wie viel lassen wir eigentlich zu, von dem, was uns gerade Apokalyptisches passiert?“

Alexandra Hildebrandt ist Nachhaltigkeitsexpertin und Wirtschaftspsychologin. Für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) arbeitete sie von 2010-2013 in der Kommission Nachhaltigkeit. Sie ist Autorin und Herausgeberin, Hochschuldozentin und Co-Publisherin der REVUE. Magazine for the Next Society. Dieser Artikel erschien zuerst in der Huffington Post.

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