Klimawandel und Meeresspiegelanstieg auf der Spur
Mit freundlicher Genehmigung der Helmholtz Gemeinschaft
Wie genau die Ozeane funktionieren, besonders im Hinblick auf die Wechselwirkungen mit dem Klima, ist in weiten Teilen noch unverstanden. Es fehlt vor allem an Messdaten. Das internationale Projekt AtlantOS soll dies ändern.
Thomas Röbke, freier Journalist, hat mit Martin Visbeck vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung GEOMAR darüber gesprochen.
Was ist die Grundidee hinter dem Projekt AtlantOS?
Wir stehen vor der großen Herausforderung, dass wir für immer mehr wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragen Informationen aus dem Ozean benötigen. Und das nicht nur punktuell, sondern möglichst flächendeckend und dauerhaft. Dafür brauchen wir eine verbesserte internationale, koordinierte und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Wie lassen sich diese Daten am besten erheben?
Auf drei Wegen: Zum einen über Beobachtungssysteme von Satelliten aus. Damit kann man Meeresoberflächentemperaturen und Meeresspiegelhöhen messen – aber nicht in den Ozean hineinschauen. Dafür benötigen wir Systeme, die im Ozean selbst operieren. Und um da die verschiedenen Ansätze zu bündeln, optimieren und zu verbessern, ist das AtlantOS-Projekt ins Leben gerufen worden.
Welche Techniken werden dort angewandt?
Das fängt mit Fahrten mit Forschungsschiffen an, bei denen man mit Sonden punktuelle hochgenaue Messungen machen kann. Doch Sie können sich vorstellen, dass die Zahl der Forschungsschiffe endlich und die Kosten vergleichsweise hoch sind. Diese Art der Messungen kann man auf zwei Wegen optimieren und ergänzen: Wir hätten am liebsten auf jedem kommerziellen Schiff ein „Messmodul“ für Dauermessungen zu Salzgehalt, pH-Wert, gelöstem CO2, Nährstoffen, Plastikkonzentration, Planktonreichtum und zur marinen Gendiversität. Man könnte auch die Strömungen der oberen 500 Meter erfassen und viele wichtige Oberflächenparameter mehr. Das wird noch ein paar Jahre dauern, bis man die richtigen und großen kommerziellen Partner zusammengebracht hat. Das zweite große Segment sind autonome Systeme, roboterartige Plattformen. Da hat es in den letzten zehn Jahren gewaltige Fortschritte gegeben.
Sie sprechen vom sogenannten Argo-Netzwerk?
Ja, es besteht aus fast 4000 Robotern, die überall im eisfreien Ozean für Dauermessungen der oberen 2000-Meter Wassersäule unterwegs sind. Mehr als 30 Länder sind daran beteiligt. Die Daten werden in Echtzeit aller Welt kostenfrei zur Verfügung gestellt. In solchen Projekten der internationalen Zusammenarbeit sehen wir die Zukunft. Und auch in den Glidern, die wir zum Beispiel bei uns am Helmholtz-Zentrum betreiben. Das sind Roboter, die sich nicht nur rauf und runter bewegen, sondern auch ein Stück segeln und damit vorwärtsschwimmen können. Wir verfügen außerdem über Mini-U-Boote für Tiefseevermessung, die benötigen viel mehr Energie und können nicht im Dauereinsatz ohne Forschungsschiffe in der Nähe betrieben werden. AtlantOS wägt die Techniken ab: Was ist für welchen Zweck der Messungen im Ozean am besten geeignet, welchen Mix der Beobachtungssysteme braucht man im Ozean?
Zum Verbund der Atlantik-Anrainer gehören etwa Frankreich, Großbritannien, Kanada, die USA, Brasilien, Südafrika und Argentinien… mit sehr unterschiedlichen Interessen. Wie wollen Sie die unter einen Hut bekommen?
Es stimmt schon, dass alle Staaten auch Partikularinteressen am Ozean haben. Aber alle wissen auch, dass ihre Ressourcen für Ozeanbeobachtungen endlich sind. Und dass es sinnvoll ist, die technischen Infrastrukturen gemeinsam zu nutzen. Sich abzusprechen, Schiffszeit zu tauschen, je nachdem, wer gerade ein Forschungsschiff vor Ort hat. Wir haben etwa Kapazitäten mit tief tauchenden U-Booten, die andere Länder nicht besitzen. Dafür verfügen diese über Messgeräte, die wir nicht haben. AtlantOS fördert die internationale Zusammenarbeit und etabliert Methoden um sich optimal zu ergänzen und das gewonnen Wissen und die Daten zu teilen.