Amory Lovins – einer der Väter der Energiewende
Lovins wurde bei der Ordensverleihung als „Erfinder der Energiewende“ gepriesen. In der Tat hat er 1976 den Ausdruck Soft Energy Path geprägt – als den Weg vom zentralisierten fossilen und nuklearen Energiesystem hin zu Energieeffizienz und Erneuerbaren Energieträgern, dann im bahnbrechenden Buch Soft Energy Paths erläutert. Die Wirkung von Lovins Soft Energy Path blieb nicht auf die englischsprachige Welt beschränkt. Unter dem Titel „Sanfte Energie“ kam 1979 eine deutsche Übersetzung in den Buchhandel, die starke Rezeption in der Anti-Atomkraft-Bewegung fand. Lovins war nicht der erste, der ein Szenario für eine vollständige regenerative Energieversorgung entwickelte. Bereits 1975 hatte der dänische Physiker Bent Sørensen in der Zeitschrift Science einen Plan für den Umstieg Dänemarks ausschließlich auf Wind- und Solarenergie vorgeschlagen, der bis zum Jahr 2050 verwirklicht werden könne.
„Die Interessen der Wirtschaft und des Planeten werden ähnlicher“
Im Interview mit den ZEIT-Redakteuren Petra Pinzler und Claus Hecking bekräftigte der mehrfach preisgekrönte Umweltaktivist seinen Optimismus, trotz des fortschreitenden Klimawandels sei die Entwicklung noch zu stoppen. Paris sei dafür ein „wichtiges Signal“ gewesen. Dort habe sich „gezeigt, dass die Menschheit den Klimawandel ernst nimmt. Die Konferenz hat schon viele Regierungen ermutigt, CO2 zu verteuern. Ich schaue nicht auf das kommende Vierteljahr. Wir bauen ein hochkomplexes System um, das ist kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Aber wir sehen ja das Ziel, Muskeln und das Herz arbeiten immer besser und die Zuschauer jubeln immer lauter. Wir sind weiter und schneller, als viele es noch vor wenigen Jahren für möglich gehalten haben.“
Wie stets in seinen Vorträgen berichtete Lovins auch bem Energy Transition Dialogue in Berlin vom Rocky Mountain Institute, das so gut isoliert ist, dass es in 2.200 Metern Höhe bei Wintertemperaturen von minus 40 Grad keine Heizung braucht; lange hätten sie mit Fenstern experimentiert, die Infrarotstrahlung reflektieren, aber natürlich Licht durchlassen. Diese seien mit extrem gut isolierenden schweren Gasen gefüllt. Drei dieser Fenster – inzwischen in der sechsten Generation – „isolieren so gut wie 22 normale Glasscheiben hintereinander“. Sogar Bananen, Mangos, Papayas und Zitronen ziehen sie im Atrium des Passivhauses, mit dem Gewächshaus produzieren sie durch Fotosynthese sogar Energie, aber auch Wärme, Licht, heiße Luft, heißes Wasser und durch einen Wärmetauscher sogar Wasserdampf, den sie sammeln, um die Pflanzen zu gießen: Sie hätten eben „die Stauden 59 bis 61 geerntet, das sind ziemlich viele Bananen. So eine Staude wiegt schnell mehr als 20 Kilo. Wir essen Bananen, frieren sie ein, backen daraus Brot, verschenken sie – und wir verstecken sie sogar in den Autos von Gästen.“
Folglich propagiert Lovins Passiv- und Energiehäuser (wie das neue Rocky Mountain Institute Innovation Center) – 40.000 gibt es allerdings erst in Europa, aber er arbeitet daran, dass sich das ändert, so müssten in Kalifornien „2020 alle neuen kommerziellen Gebäude energieneutral sein, ab 2030 auch alle neuen privaten Häuser“. Und in Vorarlberg dürfe „man schon heute nur noch so bauen und auch europaweit sollen in fünf Jahren nur noch Gebäude erlaubt sein, die fast keine Energie mehr verbrauchen“. Dabei müssten die Menschen gar nicht dazu gewzwungen werden – sie müssten nur einsehen, dass sich das energieeffziente Bauen lohne. Sein Beispiel: „In Montana gab es schon 1990 einen Unternehmer, der den Leuten garantierte, in den ersten fünf Jahren all ihre Heizkosten ohne weitere Fragen zu übernehmen. Der hatte in drei Gemeinden schon bald zwei Drittel aller Häuserbauer als Kunden“. Auch die deutsche Passivhausbewegung nutze das Argument inzwischen.
Lovins, der die Autobauer beim Bau von Elektro-Autos und die Chinesen beim Umbau ihres Energievorsorgungssystems beraten hatte, hält einfach die umweltfreundliche Technologie für billiger als herkömmliche – sie werde sich durchsetzen, gemeinsam mit gutem Design. Innovationen müssten „gut kombiniert werden“. Allerdings verkauften sich in Deutschland Elektroautos deshalb schlecht, weil es zu wenig Ladestationen gebe. Portugal habe es besser gemacht – innerhalb von zwei Jahren sei das ganze Land damit ausgestattet worden. Und in Norwegen seien bereits ein Fünftel der Neuwagen E-Autos.
Lovins: „Die Deutschen verkaufen neben Tesla die besten Elektroautos. Aber gucken Sie sich an, wer jetzt einsteigt: Apple und Google, die wertvollsten Unternehmen der Welt. Apple hat gerade den Mann eingestellt, der Kohlefasern für die Massenproduktion von Autos tauglich gemacht hat. Entscheidend ist, dass sich die erfolgreichen Geschäftsmodelle für den städtischen Verkehr rasant wandeln: Bisher dominierte das private, benzinbetriebene, aus Stahl hergestellte Auto. Künftig kommt der elektrische, autonom fahrende, leichte und von vielen geteilte Wagen, der Mobilität als Dienstleistung bietet. E-Autos sind nicht einfach nur ‚andere‘ Autos. Sie kombinieren zweierlei: erstens den Wandel in der Technologie hin zum leichten und elektrischen Fahrzeug. Und zweitens den Wandel bei der Nutzung, das selbstfahrende Fahrzeug, das von vielen genutzt wird und Mobilität als Dienstleistung anbietet. Dahinter stecken also komplett neue Geschäftsmodelle. Und die sorgen für einen schnelleren Wandel, als ihn die traditionellen Anbieter verdauen können.“