EU-Kommission voll auf Atomkurs

Handelsblatt: Berichts-Entwurf fordert massive Investitionen in Atom

Die EU-Kommission bereitet einen Bericht über die Lage der Nuklearwirtschaft vor, dessen Entwurf dem Handelsblatt bereits vorliegt. Darin geht es um die überalterten Reaktoren und enormen Kosten für die Sanierung der AKW– seltsamerweise jedoch nicht mehr um die schon einmal geplante zwingende Betreiber-Haftpflichtversicherung.

Für die Erhaltung und Instandsetzung der alten Atommeiler seien bis 2050 Investitionen von 450 bis 500 Milliarden Euro notwendig, prognostiziere – so das Handelsblatt – die EU-Kommission in ihrem ersten umfassenden europäischen Bestandsaufnahme der europäischen Atomwirtschaft nach dem Super-GAU von Fukushima vor fünf Jahren, den die Brüsseler „EU-Regierung“ in den nächsten Wochen vorlegen wolle.

Die Kommission zeige sich darin überzeugt, dass Europa angesichts wachsenden Stromverbrauchs ohne Atomenergie nicht auskomme. Die Folge: Bis 2050 müssten 90 Prozent der altersschwachen aktuellen Meiler ersetzt werden. Die Betreiber würden in den nächsten Jahrzehnten zusätzliche 45 bis 50 Milliarden Euro in die Sanierung alter AKW investieren müssen. Denn, so zitiert das Handelsblatt wörtlich aus dem Entwurf: „Viele Betreiber haben den Willen geäußert, bestehende Anlagen länger laufen zu lassen, als es ihr ursprüngliches Design vorsieht“, stellt die Kommission in ihrem Bericht fest. Grüne Europapolitiker kritisieren bereits im Vorfeld, dass die Kommission die Kosten dabei „enorm herunterspiele“.

Haftung totgeschwiegen

Wer in welcher Höhe für Schäden im Fall eines Unglücks haftet, fehlt im Berichtsentwurf – obwohl Brüssel nach Fukushima genau darauf besonderen Wert gelegt hatte: 2012 hatte der damalige Energiekommissar Oettinger Vorschläge für eine europaweit einheitliche Haftpflichtversicherung für Atomkraftwerke angekündigt. Nur so, betonte Oettinger damals, könne die EU sicherstellen, dass die Betreiber die Haftung für Atomunfälle übernähmen und die Kosten für Strom aus Kernenergie auch eher einer ehrlichen Vollkostenrechnung entsprächen. Allerdings hat die Kommission einen solchen Vorschlag bis heute liegen lassen, wenn es ihn denn je gab.

Bisher regelt jeder seine GAUs selbst. Während französische Betreiber nur bis 91 Mio. €/AKW haften, sind in Deutschland 2 Mrd. €/AKW über eine gemeinschaftliche Haftung der Betreiber abgedeckt – für weitere Kosten haftet das einzelnen Unternehmen mit seinem Vermögen. Derzeit laufen in 14 EU-Staaten 131 AKW mit 121 GW und einem Durchschnittsalter von 30 Jahren. Neue Atommeiler sind in zehn Ländern, darunter Frankreich und Großbritannien, aber auch Ungarn, Tschechien, Bulgarien, Polen, Litauen und Rumänien geplant oder bereits in Bau.

„Atomkraft auf dem Vormarsch“

Weil die Entscheidung über den Energiemix bei den EU-Mitgliedstaaten liege, könne die EU-Kommission lediglich Empfehlungen aussprechen. Das Handelsblatt wörtlich: „International bleibt die Atomkraft auf dem Vormarsch. So müsse die EU beispielsweise angesichts der Entwicklung in China und Indien alles tun, um seine Technologieführerschaft im Nuklearbereich zu erhalten, mahnt die Kommission.“

Solarify staunt: „Auf dem Vormarsch? Sprach hier das Handelsblatt oder die EU-Kommission? In beiden Fällen: Kaum zu glauben. Es ist schlicht und einfach lediglich eine Frage der Zeit, bis die Atom-Investoren kapieren, dass sich das strahlende Geschäft (eigentlich schon lange) nicht mehr lohnt. Es sei denn, die Regierungen stocken die Subventionen aus den Steuertaschen der Bürger ständig weiter auf…

->Quelle: handelsblatt.com/500-milliarden-fuer-alternde-reaktoren