BDEW, GIZ und pwc: Ein Delphi für die künftigen Energiesysteme
Mit der Studie Delphi Energy Future*) haben der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und PricewaterhouseCoopers AG WPG (PwC) untersuchen lassen, wie sich die Energiesysteme in Deutschland, in Europa und in der Welt bis 2040 verändern werden. Die aktuelle, vor allem auch in Deutschland national geprägte Debatte um Anpassung oder Neugestaltung aufzubrechen und aus globaler Sicht einen umfassenden Blick auf die Energiesysteme der Zukunft zu wagen. An Delphi Energy Future waren ca. 350 Energieexperten aus mehr als 40 Ländern beteiligt. Die Ergebnisse wurden am 18.03.2016 im Rahmen des Berlin Energy Transition Dialogue im Auswärtigen Amt vorgestellt und diskutiert.
Mit welchen Herausforderungen haben Energiesysteme in Zukunft zu rechnen? Wie können wir strategische Lösungen für Probleme entwickeln, die erst in den nächsten drei Jahrzehnten auftreten? Wie können wir antizipieren, was wir noch nicht wissen? Wohin verschiebt sich wirtschaftliches Wachstum und wie blicken heutige Akteure und Entscheider auf die Entwicklung der Energiesysteme? Das waren die zentralen Fragen des Delphi.
Diese und andere Fragen wurden 80 renommierten Experten und Vordenkern aus Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern vorgelegt. Sie stammen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft und wurden zu ihren Erwartungen an zukünftige Energiesysteme befragt. Unter ihnen waren Vertreter der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank, indische Parlamentarier sowie Vertreter der Kommission der Afrikanischen Union. Stellvertretend für die internationale Wissenschaft brachten Mitarbeiter von Universitäten auf allen Kontinenten ihr Expertenwissen ein. Greenpeace Deutschland kam ebenso zu Wort wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sowie Repräsentanten ausländischer und deutscher Unternehmen, wie BP Europe SE, die Siemens oder die RWE AG.
Wie gestaltet sich die Energiezukunft 2040?
Nachdem die Delphi-Initiatoren festgestellt hatten, man habe in zahlreichen Studien nur Teilantworten finden können: sektorale Untersuchungen einzelner Branchen, Staaten oder Ressourcen, die jedoch nicht in Zusammenhang gebracht werden, setzte sich BDEW, GIZ und PwC sich das Ziel, in ihrer Zukunftsstudie Delphi Energy Future einen übergreifenden Ausblick zu wagen, Schnittstellen zu definieren und Wechselwirkungen zu untersuchen. Dabei fordern sie ebenso dazu auf, visionäre Ansätze, mutige Ideen zu formulieren und „out of the box“ zu denken. Man wolle mit dem Delphi „food for thoughts“ und Anregungen liefern, das komplexe System der Energieversorgung weiterzudenken.
Die zentrale Fragestellung des Delphi Energy Future lautet also: Wie gestaltet sich die Energiezukunft in Deutschland, in Europa und in der Welt 2040 und darüber hinaus? Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und PricewaterhouseCoopers AG WPG (PwC) widmen sich gemeinsam diesem Zukunftsprojekt.
*)Mit Delphi wird eine mehrstufige systematische Expertenbefragung mit Rückkopplung bezeichnet. Ein feststehendes Panel von Fachleuten und Entscheidern bewertet schriftlich in zwei oder mehreren Runden einen Thesen- oder Fragenkatalog zu potenziellen zukünftigen Entwicklungen. Bei jeder These ist die Wahrscheinlichkeit des Eintretens, der relevante Zeitraum sowie der eigene Expertenstatus zu bewerten. Nach jeder Bewertungsrunde werden die Ergebnisse der vorherigen Runde als Feedback gegeben. In der anschließenden Runde werden die Experten aufgefordert, Thesen erneut zu bewerten und die eigenen möglicherweise von der Mehrheit abweichenden Bewertungen zu bestätigen (mit Begründung) oder zu revidieren. So beurteilen die Experten dieselben Thesen unter dem Einfluss der Meinungen ihrer Fachkollegen. Die Ergebnisse der Bewertungen werden zu alternativen Szenarien verknüpft. Aufgrund seiner besonderen Fragestruktur liefert ein Delphi differenziertere und gleichzeitig eindeutige Antworten im Gegensatz zu herkömmlichen Interview-Forschungsverfahren.
Erste Ergebnisse
Die Mehrheit der befragten Experten (über 60 Prozent) glaubt, dass sich die internationale Gemeinschaft bis 2040 auf verbindliche Ziele zur Reduktion von CO2-Emissionen geeinigt hat – und diese auch umsetzt. Zu den Treibern für einen effektiven Klimaschutz zählt laut Studie der globale Ausbau Erneuerbarer Energien. 80 Prozent sehen in Zukunft Erneuerbare Energien als die günstigste Alternative zur Stromerzeugung.
In einem weiteren Punkt sind sich die befragten Experten weitgehend einig: Europa wird in den nächsten beiden Jahrzehnten eine harmonisierte Energie-Innenpolitik und einen leistungsfähigen Energie-Binnenmarkt aufbauen, basierend auf einer hochleistungsfähigen grenzüberschreitenden Infrastruktur. Darüber hinaus hält es die Mehrheit der Experten für wahrscheinlich, dass Deutschland die internationale Systemführerschaft für das Management und die Technik eines vor allem auf Erneuerbare Energien aufgebauten Energiesystems haben wird. Zugleich sehen viele von ihnen China im Jahr 2040 als den weltgrößten Entwickler von Erneuerbaren-Technologien. Demnach könnte sich zukünftig ein Wettbewerb um die Technologieführerschaft abzeichnen, auf den es sich heute schon vorzubereiten gilt.
Weitere Studien-Ergebnisse: Konventionelle Kraftwerke werden kleiner und flexibler; ebenso werden die Verbraucher ihre Nachfrage flexibilisieren – zum Beispiel durch Demand Side Management. Ob Verbraucher Versorgungssicherheit in Zukunft separat als Dienstleistung kaufen müssen, Versorgungssicherheit damit einen Preis bekommt – darüber gehen die Meinungen der befragten Experten auseinander. Fest steht: Die Unternehmen werden ihre Geschäftsmodelle neu aufstellen müssen – mit starkem Fokus auf den Kunden. Bei der Beantwortung dieser und vieler weiterer Fragen soll der Delphi Orientierung bieten – sowohl den Unternehmen als auch Politik und Gesellschaft.
Das Fundament von Delphi Energy Future bilden die Zukunftsthesen, die im Rahmen von Experteninterviews entstanden sind und die anschließend in den beiden weltweiten Befragungsrunden bewertet werden. Die Thesen bringen die Erwartungen der Interviewpartner an die Zukunft zum Ausdruck.
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