Studie zeigt: Bürgerenergie durch Ausschreibungen bedroht
Die ab 2017 geplanten Ausschreibungen für Onshore-Windenergie drohen Bürgerwindakteure zu benachteiligen und verzerren die derzeit ausgeglichenen Wettbewerbsbedingungen zugunsten finanzstarker Akteure. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, welche die World Wind Energy Association (WWEA) und der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) NRW am 22.03.2016 in Düsseldorf veröffentlicht haben.
So bewerten alle in der Studie befragten Bürgerwind-Experten die Umstellung auf Ausschreibungen als negativ bis sehr negativ, während die bestehende feste Einspeisevergütung als zentrales Kriterium für den bisherigen Erfolg der Bürgerenergie gilt.
„Die Ergebnisse zeigen deutlich die Verunsicherung, die das geplante Ausschreibungsmodell mit sich bringt. Bürgerenergieprojekte sichern als zentraler Bestandteil einer verbrauchernahen Energiewende die Akzeptanz regenerativer Energien vor Ort. Die seit vielen Jahren bewährte feste Einspeisevergütung lieferte dabei für Bürgerenergieprojekte ein solides Fundament. Statt dieses nun wegzubrechen, sollten Bürgerenergieprojekte deshalb auch künftig konsequent von den Ausschreibungen ausgenommen werden“, forderte Jan Dobertin, Geschäftsführer des LEE NRW.
Bei den Ausschreibungen für die Windenergie an Land, denen der LEE NRW grundsätzlich mit großen Vorbehalten gegenübersteht, bieten Akteure bundesweit um eine festgelegte Menge an Erzeugungskapazität. Vor allem kleinere bürgergetragene Projekte haben gegenüber großen Projektierungsunternehmen deutliche Nachteile, weil sie durch umfangreiche finanzielle Vorleistungen erheblich höhere Risiken tragen und Kosten eines eventuell gescheiterten, weil einzigen Projektes nicht auf andere Projekte umlegen können. So haben internationale Erfahrungen mit Ausschreibungen gezeigt, dass deren Umsetzung regelmäßig auch zu einer hohen Konzentration der Marktakteure geführt hat.
[note Zentrale Ergebnisse der Studie auf einen Blick
- Bürgerwindprojekte haben viele positive Effekte, darunter vor allem die Stärkung der
regionalen Wertschöpfung sowie der Akzeptanz von Erneuerbaren Energien vor Ort. - Die garantierte Einspeisevergütung war und ist aus Sicht von Bürgerwindakteuren die
wichtigste Rahmenbedingung und somit Voraussetzung für die erfolgreiche
Realisierung von Bürgerwindprojekten. - Die geplante Umstellung auf ein Ausschreibungssystem stellt hingegen eine enorme
Bedrohung für die Bürgerenergie dar und gefährdet insbesondere auch die Zahl und
Vielfalt der Akteure, da sie Bürgerenergieprojekte strukturell benachteiligt. Eine „deminimis
Regelung“ im Sinne einer Ausnahme für kleinere Projekte könnte diese
strukturellen Benachteiligungen reduzieren. - Vor allem die re gionale Stromvermarktung ist für Bürgerenergiegesellschaften in der
Zukunft ein potenziell attraktives Geschäftsmodell. Die derzeitigen gesetzlichen
Rahmenbedingungen erschweren jedoch die Realisierung. - Bürgerwind-Netzwerke und Windenergie-Verbände auf Landes- und Bundesebene
besitzen eine wichtige Träger- und Multiplikatorfunktion für die Bürgerenergie.]
Die aktuelle Studie der WWEA und des LEE NRW zeigt, dass aus Sicht der Befragten das geplante Ausschreibungsmodell die Akteursvielfalt der Energiewende untergräbt und die lokale Wertschöpfung schwächt, indem kleinere Bürgerwindakteure strukturell benachteiligt werden. Auch erwarten die in der Studie befragten Bürgerwind-Experten nicht, dass der Umstieg von einer festen Vergütung auf Ausschreibungen im neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit einer fairen Preissetzung einhergehen wird oder die Kosten auf Dauer sinken werden.
„Die von den Bürgerwindakteuren in Deutschland erwarteten Einbrüche werden auch von Erfahrungen in anderen Ländern bestätigt, die schon vor einiger Zeit auf Ausschreibungen umgestellt haben: So werden die Märkte in Ländern wie Brasilien, Südafrika oder im kanadischen Ontario von multinationalen Großkonzernen dominiert. In keinem dieser Länder ist unter dem Ausschreibungsmodell auch nur ein einziger Bürgerwindpark entstanden, obwohl dies jeweils offizielles politisches Ziel ist“, mahnte Stefan Gsänger, Generalsekretär der WWEA.
Hatte die Bundesregierung zunächst überhaupt keine Sonderregeln für Bürgerenergieprojekte vorgesehen, sollen sich laut den jüngsten Vorschlägen des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) Bürgerenergieprojekte nun schon vor dem Einholen teurer Genehmigungen an der Ausschreibung beteiligen dürfen und die Genehmigungen innerhalb von zwei Jahren nach dem erteilten Zuschlag nachreichen.
Der LEE NRW kritisiert diese Regelung dennoch als völlig ungenügend, da sich viele Kosten erst im Laufe des Planungsprozesses ergeben und somit das zunächst abgegebene Gebot oftmals nicht haltbar ist. Zudem sei zu Beginn der Planung nicht ersichtlich, ob das Projekt überhaupt einen Zuschlag erhalte, was die grundsätzliche Investitionsbereitschaft bei Bürgerwindakteuren hemme. Generell seien diese Sonderregelungen nicht in der Lage, das Ausschreibungsverfahren zu einem fairen Wettbewerb zwischen Bürgerenergieprojekten und großen Akteuren zu gestalten.
„Gerade in Deutschland war die Energiewende aus Sicht vieler Bürgerinnen und Bürger immer auch ein Versprechen, einen aktiven Beitrag zum Gemeinwohl leisten zu dürfen: für Klimaschutz vor Ort, für die nachhaltige Entwicklung der eigenen Region, für Handlungsautonomie und Selbstbestimmung. Wer dieses Versprechen, zum Beispiel durch die geplanten Ausschreibungen bei Windenergie, aufkündigt, setzt den Erfolg der gesamten Energiewende aufs Spiel“, so Dr. René Mono, Vorstandsvorsitzender des Bündnis Bürgerenergie.
„Wenn wir die Ziele der Energiewende ernst nehmen, vor allem aber auch die Ziele des bejubelten Pariser Klimaabkommens, dann brauchen wir deutlich mehr Dynamik beim deutschlandweiten wie auch beim globalen Ausbau der Windenergie. Dies kann nur mit einem Mehr an Bürgerenergie gelingen. Ausschreibungen sind dafür kontraproduktiv, auch da sie keinen echten Beitrag zur Integration der Erneuerbaren Energien leisten. Wer es mit der Integration der Erneuerbaren Energien ernst meint, sollte Raum schaffen für dezentrale Vermarktungsmodelle von Grünem Strom, anstatt immer noch weitere künstliche Hürden aufzubauen“, so Gsänger.
Der LEE NRW fordert daher, unterstützt von der WWEA, umfassende Änderungen an den Plänen für ein neues EEG 2016. Derzeit sieht der EEG-Entwurf vor, nur Projekte, die kleiner als 1 Megawatt sind, von Ausschreibungen auszunehmen. Dies hätte jedoch für heutige Windenergieprojekte, bei denen bereits eine einzelne Anlage regelmäßig 2,5 Megawatt und mehr aufweist, praktisch keine Relevanz. „Auch die jüngsten Vorschläge des BMWi zu Ausnahmeregeln für Bürgerenergieakteure im neuen EEG werden weiterhin zu Vorteilen zugunsten finanzstarker Großinvestoren führen“, warnte Jan Dobertin.
Bürgerenergieprojekte in Höhe von 18 Megawatt müssten daher grundsätzlich von Ausschreibungen befreit werden. Bekräftigt wird diese Forderung des LEE NRW durch die Aussage der EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, wonach Ausnahmeregeln für Windenergieprojekte bis 18 Megawatt mit den EU-Beihilfeleitlinien vereinbar seien.
Des Weiteren fordert der LEE NRW eine Anhebung des bisher geplanten garantierten Ausbauvolumens für die Windenergie von 2.000 Megawatt brutto (also inklusive Repowering) auf 2.500 Megawatt netto (ohne Repowering) jährlich sowie eine faire Ausgestaltung des Ausschreibungsdesigns für einen deutschlandweit ausgewogenen Windenergieausbau.
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