Vier limitierende Faktoren für die Energiewende
Absolute Leistungsfähigkeit der neuen Erneuerbaren bislang noch recht gering
Im Wesentlichen sieht Heymann „vier limitierende Faktoren für die Energiewende“: Kosten, physikalische Grenzen, Zeitbudget und politische Machbarkeit.
— Kosten: Die Kosten der Energiewende im Stromsektor, für die Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren seien nur ein kleiner Teilbereich des gesamten Energiemarktes. Der Vorteil der Erneuerbaren, niedrige Grenzkosten in der Produktion zu verursachen, bleibe zwar langfristig erhalten. Dem stünden jedoch hohe Investitionskosten gegenüber, die (ohne Integration der Erneuerbaren in das EU-ETS) auf absehbare Zeit eine Förderung erforderlich machten. Aus Kostensicht sei „besonders wichtig, dass für die Umrüstung des Wärmemarktes (Gebäudebestand) und des Verkehrssektors in den nächsten Jahren immense Ausgaben anfallen“. Dies gelte auch für die Zielerreichung notwendige Effizienztechnologien: „Hier stehen wir erst am Anfang der Energiewende und damit auch der Kostendebatte“. Die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland sei mit der Kostenfrage eng verknüpft.
— Physikalische Grenzen: Der (noch) geringe Anteil von Windkraft und Photovoltaik am Primärenergieverbrauch (weltweit rd. 1%) zeigt laut Heymann trotz immensen technischen Fortschritts die aktuell noch begrenzte Leistungsfähigkeit dieser Technologien. Einen Nachteil der neuen Erneuerbaren macht er in der geringen Kapazitätsauslastung (Volllaststunden) aus. Strom müsse für längere Zeiträume und kostengünstiger zu speichern sein als heute möglich.
Bis 2050 ist nicht mehr viel Zeit
— Zeitbudget: Die langfristigen Ziele der Bundesregierung beziehen sich auf das Jahr 2050. Aber die tatsächliche Entwicklung hinke dem eigentlich notwendigen Zeitplan vielfach zum Teil deutlich hinterher. Da wo bestehende Strukturen stark verändert werden müssten, seien die verbleibenden 35 Jahre ein recht kurzer Zeitraum; nicht nur für die energetische Umrüstung des Gebäudebestands.
Belastungen für die Wählerschaft dürften vermehrt in den Fokus rücken
— Politische Machbarkeit: Heymann erwartet, dass „die Politik in den nächsten Jahren vermehrt auf ordnungspolitische Instrumente setzen“ werde. Dies würde private Haushalten und Unternehmen belasten. Die EEG-Kosten seien bereits Gegenstand politischer Diskussionen, die mit wachsenden Kosten durch weitere Eingriffe zunehmen würden.
Ausblick: Ausstiegsoptionen aus dem EEG prüfen
Heymann, der „gerne optimistischer“ wäre, rät dazu, die deutsche Energiewende stärker in die europäische Energie- und Klimapolitik einzubetten“. Dafür würde er „wohl oder übel“ die Klimaziele insgesamt „realistischer“ setzen. Wenn die Begrenzung der CO2-Emissionen oberste Priorität genießt, könnte mit einem (auf den Wärmemarkt und den Verkehrssektor ausgedehnten) EU-ETS dem CO2 ein einheitlicher Preis gegeben und mit Emissionshandelssystemen anderer Ländern kombiniert werden. „Da ein solcher Regimewechsel in Deutschland kurz- bis mittelfristig politisch unwahrscheinlich ist, sollte die Politik die Vor- und Nachteile möglicher Ausstiegsoptionen aus dem EEG prüfen und Marktkräfte stärken. Für die Akzeptanz der Energiewende wäre eine demokratische Debatte darüber hilfreich, was die Energiewende insgesamt kosten darf.“
Weiter rät Heymann, Deutschland und die EU sollten bei langfristige Klimaschutzziele andere Länder beachten. Offiziell werde zwar von einer langfristigen „Dekarbonisierung“ der Weltwirtschaft gesprochen. Es falle aber den heute aktiven Politikern leicht, solche langfristigen Ziele zu formulieren, 2050 seien sie nämlich nicht mehr im Amt. In der Praxis kann Heymann „noch nicht die notwendigen Weichenstellungen für eine Dekarbonisierung zu erkennen; dies gilt auch nach dem Pariser Klimaabkommen“. Die langfristigen Prognosen der IEA deuten in seinen Augen nicht darauf hin, dass fossile Energieträger schon bald ausgedient hätten. Seine Schlussempfehlung: „Auf globaler Ebene sollten ganz oben auf der Agenda stehen:
- Bepreisung von CO2,
- Rückführung der Subventionen für fossile Energieträger,
- mehr Forschung im Bereich alternative Energiesysteme und Energieeffizienz,
- mehr Waldschutz und
- mehr Anpassung an den Klimawandel gerade in den ärmsten Staaten.“
Schließlich räumt der Autor ein, dass „ein Defizit des vorliegenden Berichts sicherlich darin [liegt], dass keine Lösung präsentiert wird, wie eine anspruchsvolle Energiewende aussehen kann, die bezahlbar ist, Wirtschaftswachstum zulässt, massive Eingriffe in Eigentumsrechte und Wahlfreiheiten vermeidet und Konsumverzicht (weitgehend) ausschließt. Wäre dies die Quadratur des Kreises? Oder gelingt dies nur mit Technologien, die wir heute noch nicht (gut genug) kennen bzw. beherrschen?“
->Quelle und ganze Analyse: dbresearch.de